Die Einstellungen der Textansicht wurden gespeichert.

Sie bleiben auf diesem Rechner und in diesem Browser als Standardeinstellungen gültig, bis Sie sie mit anderen Einstellungen überschreiben.
Der Wilde Alexander, ›Owe, daz nach liebe gat‹ (J 37–41) Lied zurückLied vorDruckerTEI Icon

Kommentar

Überlieferung: Die Überlieferung des in CJW erhaltenen Liedes ist in den Grundzügen stabil: Die Strophen­reihenfolge ist dreimal dieselbe, gravierende inhaltliche Abweichungen gibt es nicht, viele Abweichungen sind durch ein größeres oder kleineres Augenmerk auf formale Belange zu erklären. Auffällig ist allerdings die Varianz im Bereich der Pronomina, v. a. in Strophe III und V: Während CW zu Singular tendieren (ich, mir), vereint J die Liebenden häufiger im Plural (wir, uns). von Kraus, S. 12f. und nach ihm Schulze hielten aus formalen Gründen (Auftaktgestaltung) W für ursprünglicher, während Worstbrock, S. 189–192 mit einigem Recht darauf hinweist, dass J nicht nur den inhaltlich stimmigeren, sondern auch – und auch formal – den glatteren Text bietet.

Form: Das Lied steht in einer Kanzonenstrophe, die in J folgenden Bau hat:

4a 3-b / 4a 3-b // 4c 4-d 4-d 4c

J setzt das Schema streng um, Irritationen gibt es nur in III,7 (Auftakt) und in V,1 (evtl. Kürzung von also zu als?); die Tonbeugungen in V,6f. bewegen sich mit dem Inhalt der Verse (Schmerz, Vereinsamung). In CW ist das formale Muster loser realisiert, vor allem die Auftaktgestaltung ist weit aus den Fugen geraten. Bemerkenswert sind die Responsionen einiger Reime (I,2. 4 zu II,2. 4, I,6f. zu III,2. 4) und Reimwörter (I,5 zu IV,5; II,5 zu V,1).

Musik: Die Melodieüberlieferung in J und W weicht nur geringfügig voneinander ab, die unterschiedliche Behandlung des Auftakts wird auch musikalisch nachvollzogen. Die Melodie selbst folgt dem stolligen Bau. Sie ist äolisch und konzentriert sich zeilenweise auf die Repercussa e (Z. 1, 3, 5, 6) und Finalis a (Z. 2, 4, 7, 8) mit einem melodischen Höhepunkt in Z. 6 (g), von dem aus der melodische Verlauf bis zum Ende von Z. 7 um mehr als eine Oktave nach unten geführt wird (f).

Inhalt und Gattung: Das Minnelied entwickelt den an und für sich schlichten Gedanken, dass der Liebe durch die Trennung der Liebenden das Leid nachgeht. Dieser gedankliche Kern gibt immer wieder neuen Anlass, ihn exemplarisch zu umkreisen, wobei das Lied durchwegs abstrakt bleibt. Einen kohärenten Argumentationsgang gibt es nicht, der Duktus ist aber geradezu traktatartig, was im Lied eingangs auch entsprechend ausgestellt (das Aufschreiben eines Problems, Str. I und II) und wohl auch vom Dialog des Ichs mit Frau Minne bestärkt wird (Str. I, III und IV). Die Schlusswendung (Str. V, beginnend schon mit IV,7f.) bringt das Trennungsleid nochmals auf eine kompakte Formel (ein Jahr wie ein Tag versus ein Tag wie ein Jahr).

Bemerkenswert ist die generische Sonderstellung des Lieds. Schon sein inhaltlicher Kern lässt sich als eine Banalisierung von Topoi des Hohen Minnesangs begreifen, wenn das Paradoxon eines Liebesleids und seine emotionale Komplexität temporal gestreckt werden auf den nicht länger paradoxen Gegensatz von zeitraffendem Zusammensein und zeitdehnender Trennung. Doch auch im Übrigen steht das Lied abseits der Konvention nicht nur des Hohen Sangs, sondern auch des Minnesangs des 13. Jahrhunderts (ausführlich dazu Worstbrock): Das Fehlen einer vrouwe und der Rollentypik überhaupt, die nie in Frage stehende Einigkeit der Liebenden, eine allmächtige Allegorie Minne und dazu die knöcherne Abstraktion samt des Verzichts auf allen üppigen Ornat machen es zu einem Solitär der Literaturgeschichte. In J ist dieser Gestus intensiver ausgeprägt, wenn die Personalpronomen der 1. Person im Plural stehen; CW scheinen demgegenüber rückläufig hin zu älteren generischen Situationen zu sein.

Zu seiner Sonderstellung passt, dass das Lied offenbar Anregungen aus der lateinischen Literatur empfangen hat (III,6 zu CB/HS 104 II 3,9: parce, Venus, parce!, das Motiv des Minnediktats evtl. aus Ovid; dazu Worstbrock, S. 193). Die pointenhafte Zuspitzung in III,8 könnte eine Reminiszenz an C HeinrBres 4–8 et al. V,11 sein.

Florian Kragl

Kommentar veröffentlicht am 01.01.2016; zuletzt geändert am 03.02.2016.
Gehört zur Anthologie: Minne- bzw. Werbelied
 J WAlex 37 = KLD 1 VI 1Zitieren
Digitalisat
Jenaer Liederhandschrift (Jena, ThULB, Ms. El. f. 101), fol. 25rb
Logo DFG-Viewer Bild nach oben scrollen Bild nach unten scrollen Zum Strophenende blättern Bild schließen
 I
 
 J WAlex 38 = KLD 1 VI 2Zitieren
Digitalisat
Jenaer Liederhandschrift (Jena, ThULB, Ms. El. f. 101), fol. 25va
Logo DFG-Viewer Bild nach oben scrollen Bild nach unten scrollen Bild schließen
 II
 
 J WAlex 39 = KLD 1 VI 3Zitieren
Digitalisat
Jenaer Liederhandschrift (Jena, ThULB, Ms. El. f. 101), fol. 25va
Logo DFG-Viewer Bild nach oben scrollen Bild nach unten scrollen Bild schließen
 III
 
 J WAlex 40 = KLD 1 VI 4Zitieren
Digitalisat
Jenaer Liederhandschrift (Jena, ThULB, Ms. El. f. 101), fol. 25va
Logo DFG-Viewer Bild nach oben scrollen Bild nach unten scrollen Bild schließen
 IV
 
 J WAlex 41 = KLD 1 VI 5Zitieren
Digitalisat
Jenaer Liederhandschrift (Jena, ThULB, Ms. El. f. 101), fol. 25va
Logo DFG-Viewer Bild nach oben scrollen Bild nach unten scrollen Zum Strophenende blättern Bild schließen
 V
 
 
Vignette