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Konrad von Würzburg, ›Got gewaltic, was du schikest‹ (C KonrW 1 = Schr I)
C KonrW 1
C KonrW 1= Schr I
Überlieferung: Heidelberg, UB, cpg 848, fol. 383va
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Kommentar

Überlieferung: Der religiöse Leich ist ausschließlich in C überliefert; er eröffnet dort das Konrad-Korpus.

Form: Vgl. Leichschema

Die formale Gestaltung des Leichs folgt keinem eindeutig zu bestimmenden Bauschema, »eine übergreifende Großstruktur ergibt sich [...] nicht« (Brunner, Sp. 279). Die 28 Versikelgruppen, die den Leich bilden, sind vielmehr sequenzartig aneinandergereiht (vgl. Kuhn, S. 136, 140); als ihre grundlegenden Bausteine lassen sich Einzelversikel zumeist aus zwei oder vier Versen rekonstruieren, die separat, aber auch kombiniert (v. a. in Vierergruppen) auftreten können. Für die Versikeltypen C, E, H, I und O rechtfertigen Symmetrie und Syntax die Annahme binnengereimter langer Zeilen, wie sie teilweise auch schon Schröder angesetzt hat.

Inhalt: Der Text verhandelt die für die religiöse Leichdichtung typischen thematischen Felder der Trinitätsbeschreibung, des Christus- und des Marienpreises (vgl. allgemein Bertau). Auffällig ist dabei, dass die beiden letzteren Redegegenstände, die den Hauptteil des Leichs ausmachen, nicht (wie etwa bei Reinmar von Zweter oder Hermann von Damen) als selbstständige Bereiche nebeneinander stehen, sondern dass »die Marienthematik [...] in die Christusperspektive mithineingerückt« (ebd., S. 138) ist. Im Zentrum des Textes stehen somit die »Themagestalt Gott-Christus« (ebd., S. 139) und die mit ihr verbundenen theologischen Konzepte der Inkarnation und der heilsgeschichtlichen Erlösungstat Christi. Diese werden weniger argumentativ zu fassen gesucht als, in teils recht traditionellen, teils jedoch auch durchaus riskanten Bildern, »suggestiv-emotional« (Kokott, S. 169) vermittelt: Die Verse 1–16 leiten von der Darstellung der allumfassenden und immerwährenden Allmacht Gottes über zu derjenigen der trinitarischen Perichorese, welche anhand von Metaphern des Flechtens und Verknüpfens konkretisiert wird – dabei finden sich teils wörtliche Übereinstimmungen mit Konrads religiösen Sprüchen (vgl. B3 KonrW 1 et al.). Im Hauptteil des Leichs wechseln sich der Lobpreis der Inkarnation (v. a. Vv. 17–60, 165–184, 203–216) und derjenige des erlösenden Kreuzestodes Christi (v. a. Vv. 60–164, 185–202) mehrmals ab; die sprachliche Verbildlichung der Menschwerdung Gottes zielt dabei zumeist zugleich auch auf das Dogma der Jungfräulichkeit Marias. Traditionelle geistliche Motive – Inkarnation als Einkleidung (Vv. 27–29), als Sonnenstrahlen, die buntes Glas durchdringen (Vv. 43–45), als Wortempfängnis (Vv. 31–36) – werden von Konrad um neue Aspekte erweitert (Maria als warf unde wevel, V. 30) bzw. durch neue Bildspender ergänzt (Maria als Siegel: Vv. 53–60; vgl. zur Bildlichkeit insgesamt und zu Parallelen in der ›Goldenen Schmiede‹ Kern, S. 53–55, Nowak, S. 230–232). Dabei zeigt sich jedoch auch, dass Konrad »auf dogmatische Genauigkeit bedacht« ist (Nowak, S. 44): Die Abschnitte Vv. 50–53 und Vv. 73–76 verweisen in ihren Schilderungen der Inkarnation auf die ›inhabitatio trinitatis‹, betonen jedoch zugleich »die Menschwerdung des Sohnes allein« (ebd.). Die dem Erlösungsgedanken gewidmeten Passagen arbeiten mit einer Vielzahl von naturkundlichen Vergleichen, die überwiegend aus der ›Physiologus‹-Tradition stammen (Löwe [Vv. 65f.], Panther [Vv. 89–94], Schwan [Vv. 129f.], Elefant [Vv. 150–154], Einhorn [160–164], Pelikan [188–193]) –; unbekannt ist dieser lediglich das Motiv des eine Schlange bekämpfenden Hermelins (Vv. 140–142; vgl. Nowak, S. 22ff., Kokott, S. 169). Die Sündhaftigkeit der Menschheit schließlich verdeutlichen Metaphern aus dem Bereich der antiken und der germanischen Mythologie; dazu gehören etwa das Lebermeer, der Magnetberg und das Rad der Fortuna (Vv. 121–124) oder die Sirenen (Vv. 131), die die vertanen wassernixen (V. 127) aufgreifen. Der Reim crucifixen/wassernixen (Vv. 125/127) resultiert in einem »Überraschungseffekt«, verursacht durch »eine gesuchte Dissonanz zwischen dem höchsten Symbol leidenden Erlöserwillens und den sinnbetörenden Figuren der antiken Fabel« (de Boor, S. 29; vgl. dazu auch Köbele, S. 332f.). Das »dichte[] Bildgewebe« (Kokott, S. 169), das Konrads religiösen Leich somit charakterisiert, wird zusätzlich durch eine enge Verknüpfung der einzelnen Versikelgruppen wie der beiden maßgeblichen Komplexe ›Inkarnation‹ und ›Erlösung‹ anhand von sich wiederholenden »Leitbilder[n] bzw. Leitbegriffe[n]« (Bertau, S. 139) erzeugt: Die Versikelgruppen Vv. 101–112 und Vv. 113–120 sind etwa durch ihre jeweilige Erwähnung von Marterwerkzeugen aufeinander bezogen, diejenigen von Vv. 197–202, 203–208 und 209–216 durch das Leitmotiv des Feuers, das Marias Jungfräulichkeit (vgl. V. 213) typologisch mit dem brennenden Dornbusch (Vv. 201–208) kurzschließt (s. zu dieser Technik Bertau, S. 138–140; Kokott, S. 168f.).

Stephanie Seidl

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