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Walther von der Vogelweide, ›Sich huͦb ein ungefuͦger zorn‹
E A C O₁ S
E Wa 138
IE Wa 138 = KLD 62 IV 1
A Singenb 97
IA Singenb 97 = KLD 62 IV 1
C Mezze 12
IC Mezze 12 = KLD 62 IV 1
O₁ Namenl 8
IO₁ Namenl 8 = KLD 62 IV 1
S Wa/14rb 1
IS Wa/14rb 1 = KLD 62 IV 4
E Wa 139
IIE Wa 139 = KLD 62 IV 2
A Singenb 98
IIA Singenb 98 = KLD 62 IV 2
C Mezze 13
IIC Mezze 13 = KLD 62 IV 2
O₁ Namenl 9
IIO₁ Namenl 9 = KLD 62 IV 2
S Wa/14rb 2
IIS Wa/14rb 2 = KLD 62 IV 5
E Wa 140
IIIE Wa 140 = KLD 62 IV 3
A Singenb 99
IIIA Singenb 99 = KLD 62 IV 3
C Mezze 14
IIIC Mezze 14 = KLD 62 IV 3
O₁ Namenl 10
IIIO₁ Namenl 10 = KLD 62 IV 3
E Wa 141
IVE Wa 141 = KLD 62 IV 4
A Singenb 100
IVA Singenb 100 = KLD 62 IV 4
C Mezze 15
IVC Mezze 15 = KLD 62 IV 4
O₁ Namenl 11
IVO₁ Namenl 11 = KLD 62 IV 4
E Wa 142
VE Wa 142 = KLD 62 IV 5
C Mezze 16
VC Mezze 16 = KLD 62 IV 5
O₁ Namenl 12
VO₁ Namenl 12 = KLD 62 IV 5

Kommentar

Überlieferung: Die reiche Überlieferung ist in der Reihenfolge der Strophen erstaunlich konstant: CEO1 bieten ein fünfstrophiges Lied, A läuft parallel, doch fehlt dort die fünfte und letzte Strophe. Abseits steht S mit der vierten und fünften Strophe von CEO1, die in S (durch gemeinsame Überschrift und nicht abgesetzte Strophen) mit zwei weiteren, in ihrem Formbau abweichenden Strophen (S 29,3f.) zu einem vierstrophigen Lied verbunden sind. Die Einheit der vier S-Strophen ist möglicherweise thematisch (minne) und über den Dichternamen (samt und sonders Parallelüberlieferung zu Walther von der Vogelweide) zu erklären, sie stellen ein Pasticcio aus drei ›alten‹ und wohl seit jeher prominenten Liedern dar; die Vernachlässigung der Form ist für S typisch.

Unter den älteren Textzeugen ACEO1 sind, was die Varianz auf Wortebene betrifft, EO1 eng verwandt; ihnen stehen auch die beiden S-Strophen nahe. Zwischen A und EO1 ist die Varianz größer, C geht häufig eigene Wege. Die Konstruktion eines Archetyps scheitert daran, dass die Gruppierungen oft von Vers zu Vers wechseln. Allerdings legen nicht wenige Stellen den Ansatz einer Vorstufe *AEO1 nahe, und zwar überall dort, wo die drei gegen C parallel gehen bzw. wo die Redaktionsprozesse evident sind (z. B. systematischer Ersatz von gewinnen AE[C] durch erwerben in O1).

Während die Textüberlieferung vergleichsweise stabil ist, variieren die Zuschreibungen erheblich: Die namenlosen Fassungen von O1 und S stehen gegen Ulrich von Singenberg (A), Walther von Mezze (C) und Walther von der Vogelweide (E). Die auch sonst begegnende Überschneidung Walthers von Mezze mit Walther von der Vogelweide erklärt sich wohl über den Namen; die literarhistorische Berührung zwischen Walther von Mezze und Ulrich von Singenberg ist bekannt. Die wenn auch namenlose Überlieferung in O1 (ausschließlich Parallelüberlieferung zu Walther von der Vogelweide) und auch die Aufnahme in S sowie die dortige Koppelung mit weiteren berühmten Walther-Strophen (S 29,3f.) macht die Zuschreibung an Walther von der Vogelweide wahrscheinlich; die älteren Ausgaben hingegen sind der Zuschreibungspraxis in C gefolgt, sodass das Lied in KLD, nicht aber in den heute gängigen Walther-Ausgaben (Ausnahme ist Bein) zu finden ist.

Form: Der formale Bau der Kanzonenstrophe ist luzide; die Strophen folgen recht streng dem Schema:

.4a .4b / .4a .4b // .5-c .5-c .4d .4x .4d

Unsicherheiten (in der Hebungszahl und im Auftakt) gibt es hin und wieder beim fünften Vers (CS II, EO1 III, CEO1 IV), sonst nur vereinzelt (AE I,6, A III,3, S I,7), die Kadenzierung ist nur einmal gestört (S I,5). Der fehlende Auftakt in C V,3 ist wohl als Emphase zu werten.

Inhalt: Die Argumentation des Liedes weist einen klar erkennbaren roten Faden auf, was mit der Grund für die Stabilität der Strophenreihung in der Überlieferung sein mag. Ein allegorischer Streit zwischen herze und lîp wegen eines wîbes (I) lähmt das Ich gleichsam und zwingt es dazu, ihnen helfend beizustehen; seine Aussicht ist, dass im Falle des Erfolgs – dem Erwerb des wîbes – das Ich teilen darf (II). Das Ich phantasiert sich nun aus, was es dann täte: herze bekommt herze, lîp den lîp, detto sinne und ougen, das Ich schließlich sie und sie das Ich (III). Sofort folgt die Ernüchterung durch die Einsicht, dass sie ihm dies nicht erlauben wird, verbunden mit der Pointe, dass dieses Phantasieren ihr nicht schade – weshalb sie nicht zürnen möge –, ihm aber das Dasein erleichtere (IV). Die Schlussstrophe (V) wiederholt den letzten Gedanken in einer Eloge auf das wünschen, das als remedium der Sorgen gefeiert wird. Ihr Fehlen in A hat daher auf den Argumentationsgang wenig Einfluss. Auch die Varianz im Detail ändert nicht den Charakter des Liedes in seinen einzelnen Fassungen, einige Verballhornungen ausgenommen (z. B. die Lesarten in III,4 und IV,1). Die Kürzung des Liedes auf die beiden Schlussstrophen von CEO1 in S hingegen schneidet Wesentliches ab und lässt nur zusammenhanglose Sentenzen übrig.

Florian Kragl

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