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Der Wilde Alexander, ›Hie bevorn, do wir kynder waren‹
J
J WAlex 30
IJ WAlex 30 = KLD 1 V 1
J WAlex 31
IIJ WAlex 31 = KLD 1 V 2
J WAlex 32
IIIJ WAlex 32 = KLD 1 V 3
J WAlex 33
IVJ WAlex 33 = KLD 1 V 4
J WAlex 34
VJ WAlex 34 = KLD 1 V 5
J WAlex 35
VIJ WAlex 35 = KLD 1 V 6
J WAlex 36
VIIJ WAlex 36 = KLD 1 V 7

Kommentar

Überlieferung, Form und Melodie: Die sieben Strophen des nur in J erhaltenen Liedes weisen folgenden nichtstolligen Bau auf:

4-a 4-a 4b 4b 3-c+2-c 4b

Die Auftaktgestaltung scheint relativ frei, Tonbeugungen sind nicht selten. Die erste Strophe ist in J einer hypodorischen Melodie nach folgendem, da-capo-artigem Schema unterlegt:

α β γ δ β' γ

V. 5 und 6 sind melodisch zu einer Einheit (β') verbunden, γ ließe sich auch als eine Variation von α begreifen. Den klaren Höhepunkt bildet Z. 4 (hohe Lage, Quintsprung), die auch dadurch hervorgehoben ist, dass ihr Melodiematerial ohne Wiederholung bleibt.

Inhalt: Das so genannte ›Kindheits-‹ oder auch ›Erdbeerlied‹ des Wilden Alexander zählt zu den meistdiskutierten Liedern des 13. Jahrhunderts. Grund dafür ist die inhaltliche Disposition des Erzählliedes, die eine Reihe von hermeneutischen Problemen aufwirft. Deutlich ist die Komposition in relativ kompakten Blöcken: Dem Entwurf einer amoenen Kindheitserinnerung (Str. I und II) folgt eine Verdunkelung der Szenerie bei der Erdbeersuche (Str. III und IV: Wald, masen, Mahnrufe), kulminierend in einem – freilich nur indirekt erzählten – Schlangenbiss (Str. V), dessen Opfer wohl aus Überlieferungsgründen undeutlich bleibt (ein ›Gevatterlein‹? ein Pferdchen?). Die abschließenden Strophen markieren das Erzählte als Gleichnis (Str. VI) und stellen diesem Gleichnis ein weiteres, offenbar parallel programmiertes zur Seite (Str. VII).

Maßgeblich für die anhaltende Faszination der Forschung für das Lied sind seine wohl gezielt gesetzten Ambiguitäten und Leerstellen. Sie entstehen vor allem dort, wo Instanzen oder Phänomene des Liedes von Strophe zu Strophe oder von Block zu Block dergestalt variiert werden, dass der inhaltliche Zusammenhang labil wird. Darunter fällt in erster Linie die eigentümliche Schrumpfung des zeitlichen Abstands zwischen der erzählten Vergangenheit und der Erzählgegenwart (etwa I,1 zu IV,2), aber auch die unklare Figurendisposition des Erzählten (z. B. waltwiser und hirte) oder das Verhältnis der gleichnishaften Erzählung zum abschließenden Gleichnis. Dazu kommen Elemente wie die Erdbeeren, der Schlangenbiss oder die drangsalierten Jungfrauen, deren Singularität und Prägnanz innerhalb der mittelhochdeutschen Lyrik auffällig sind. Dies hat dazu geführt, dass das Lied überwiegend als geistliche Allegorie (Mahnruf) interpretiert wird, wofür auch einige Anlehnungen des Liedes an biblische Motive sprechen (Mt 22,1–4 und 25,1–13, Ct 5,7); das Motiv der Erdbeersuche, in Verbindung mit der Schlangengefahr, dürfte von Vergil übernommen sein (Eclogen III,92f.). Wenig Aufmerksamkeit hat hingegen bisher die eindringliche, wohl auch erotische Sinnlichkeit gefunden, die diese Allegorie – so es denn eine wäre – auf der Ebene des Eigentlichen prägt.

Florian Kragl

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