Autor
Der sowohl in A (fol. 35v) als auch in C (fol. 17r) als Herzog titulierte Dichter wird in der Forschung mittlerweile übereinstimmend mit Graf Heinrich I. von Ascharien (Askanien) und Anhalt (ca. 1170–1251/52) identifiziert (s. Mertens, Sp. 685f.); in Urkunden benennt er sich auch selbst als princeps (dazu Meves, S. 386f.). Die dem Korpus in C vorangestellte Miniatur, die den Autor im höfischen Turnierkampf zeigt, stützt diese Identifikation: Wappen und Helmschmuck entsprechen der heraldischen Symbolik der Askanier bis ins Detail (Mertens, Sp. 686, Walther, S. 16f.). Wie anderen Mitgliedern des ostdeutschen Hochadels – seinem Neffen Heinrich III. von Meißen etwa, aber auch Otto IV. von Brandenburg –, sicherte seine hohe reichspolitische Position Heinrich I. von Anhalt vielfältige Kontakte zur kulturellen Szene an den einflussreichen Höfen der Zeit – Kontakte, die ihn wohl dazu veranlasst haben, selbst als Minnesänger tätig zu werden. Für die ostdeutschen Fürsten war somit »das Ausüben der höfischen Dichtkunst offensichtlich Teil der feudal-sozialen Repräsentation« (Zapf, Sp. 331, vgl. auch Mertens, Sp. 686). Heinrich I. von Anhalt lässt sich, nachdem er vom Lager der Welfen in dasjenige der Staufer gewechselt war, mehrfach am Hof und auf den Hoftagen Kaiser Friedrichs II. und König Heinrichs VII. nachweisen, wo er u. a. dem Minnesänger und Reichsschenken von Limburg, aber auch dem Verfasser des Sachsenspiegel Eike von Repgow begegnete (dazu Meves, S. 387–389). Durch seine Ehe mit Irmgard, Tochter Hermanns I. von Thüringen, war Heinrich I. von Anhalt darüber hinaus mit einem der wichtigsten Gönner deutschsprachiger Dichtung verbunden (dazu ebd., S. 388). Dass Heinrich I. selbst als Mäzen in Erscheinung trat, ist, anders als für seinen Bruder Albrecht I. von Sachsen und seinen Schwiegersohn Boleslaw II., die der Tannhäuser diesbezüglich rühmt, jedoch nicht belegt (ebd., S. 390).
Überlieferung und Werk
Die Kleine und die Große Heidelberger Liederhandschrift überliefern in identischer Reihenfolge fünf Strophen, die zu zwei Liedern gehören; in C sind sie als Nachtrag von Schreiberhand AS in hierarchisch richtiger Position an den Beginn von Lage II gestellt worden (vgl. Henkes-Zin, S. 27, 31, 33, 170, 173f.). Beide Lieder rühmen die Minnedame und den Dienst an ihr: A Anhalt 1–3 et al. fokussiert dafür die Freude des Sängers, der auch der Einbruch des Winters nicht Einhalt gebieten kann; die Form hat, wenngleich in der Überlieferung teils gestört, in Rhythmus und Reimschema Vorbilder in Liedern Rudolfs von Fenis. Das zweite Lied, A Anhalt 4f. et al., das das Singen über die Geliebte als erfüllender als die Liebesvereinigung mit ihr preist, greift Motive der romanischen Lyrik auf; auch sein Wortschatz ist an das Altfranzösische angelehnt.
Stephanie Seidl