Die Identifikation des Dichters, dessen Vorname der Codex Manesse nicht überliefert, war lange umstritten. Stengel, S. 181, rechnet ihn der gleichnamigen Ministerialenfamilie zu, was heute als wahrscheinlichste These gilt. Nicht gehalten hat sich die Vermutung von Herzog, S. 178, in ihm mit Konrad von Baumburg einen Vertreter des württembergischen Freiherrengeschlechtes derer von Baumburg zu sehen, deren Stammsitz Baumburg bei Hundersingen (heute Kreis Sigmaringen) war. So wird der Dichter heute in Ulrich II., bezeugt zwischen 1289 bis 1305, vermutet. Damit wird auch eine Identität mit Ulrich von Baumberg angenommen, dem die ›Losse-Sammlung‹ k2 ein dreistrophiges Lied zuweist. (Zum Zusammenhang von der Frage nach der Identität des Dichters mit der Interpretation der Miniatur siehe auch unten.)
Unter von Buwenburg (rubrizierte Bildüberschrift auf 359r) führt der Codex Manesse 18 unikal überlieferte Strophen (= sechs dreistrophige Lieder). Geschrieben von Schreiber AS mit Nachträgen von Schreiber ES (Str. 13–18), sind sie Teil des Grundstock-Segments C und eröffnen die 33. Lage (vgl. Henkes-Zin, S. 17f., 36). Das Kopialbuch des Rudolf Losse überliefert ferner in der 35. Lage unter Vlricꝰde bovinb͛g armig͛ (armig M. ›Bewaffneter‹, vgl. MWB I, Sp. 360) ein dreistrophiges Lied (k2 Baumb 1 2 3).
Die Miniatur zeigt vermutlich einen Viehraub: Von links kommen drei mit Lanzen und Armbrust bewaffnete, mit Beckenhauben und Kettenpanzer gerüstete Männer herangeritten, die eine Rinderherde vor sich her treiben, welche an den rechten Bildrand gedrängt wird. Ein vierter Mann, mit Hut und ohne Rüstung, befindet sich auf der rechten Bildseite hinter der Herde. Er wendet sich zu den von links kommenden Reitern und schwingt eine Lanze, womit er sich den Angreifern entgegen zu stellen scheint (vgl. die Blickrichtung), gleichzeitig vielleicht auch die Tiere zusammenzuhalten versucht. In seiner linken Hand hält er einen Hahn, wodurch vielleicht ein ironischer Bezug zum Wappentier (Greif) hergestellt wird, ähnlich wie in der Miniatur zu Dietmar von Aist (Esel als Reittiert – Einhorn als Wappen, vgl. dazu auch den Autorkommentar zu Dietmar, Abschnitt Autor). Anders dagegen Wallner, der die Tiere als bäuerliches Attribut mit dem Namen des Dichters verbindet: »Der name Buwenburg vermittelt dem maler einen bûwære oder bûweman, der ein paar stück vieh und eine henne zu markte bringt« (S. 509). Der Schild sowie das Kleinod auf dem Helm zeigen einen schwarzen Greifen mit roter Zunge, was das historisch bezeugte Wappen der Württemberger Freiherrenfamilie derer von Baumburg ist.
Walther, S. 240, deutet die Darstellung biographisch: Ausgehend von einer Urkunde aus dem Jahr 1260, »in der die Stellvertreter des Bischofs von Konstanz die Brüder von Rohrdorf dazu verurteilen, die diesem Ulrich genannt Hagen widerrechtlich entzogenen Besitzungen in Harthausen zurückzugeben«, vermutet er, dass das Bild den vorausgegangenen Streit zeigt. Die frühere These, es handele sich bei dem Dichter nicht um Ulrich, sondern Konrad von Baumburg, der als Kantor und Konventuale des Klosters Einsiedelns wirkte, führte zu der Annahme, die Miniatur zeige den Überfall auf das Kloster von 1314. Eine Übersicht über die in der Forschung erwogenen Deutungsansätze mit einer klaren Argumentation gegen die Identifikation des Dichters mit Konrad von Buwenburg gibt Bumke, S. 24–28. Er sieht ferner eine Parallele zwischen der Miniatur des von Baumburg und jener Heinrichs von Tettingen: »Raub und Gefangennahme gehören zum ritterlich-kriegerischen Themenkreis, den die C-Maler [...] auch behandelt haben« (S. 26).
Die sieben Lieder sind alle dreistrophige Kanzonen, wobei nur Lied C Baumb 4 5 6 einen Refrain aufweist. Die Aufgesänge haben Schweifreime, die Abgesänge sind von umarmenden Reimen geprägt. Inhaltlich sind die Lieder überwiegend Minneklagen mit intensiver Bildlichkeit. Sechs der sieben Lieder spielen mit Naturmetaphorik, wobei der Herbst eine zentrale Stellung einnimmt: In C Baumb 1 2 3 richtet sich die Hoffnung des Minneleidenden auf den Herbst und seine Speisen, wobei der Sprecher – anders als bei Steinmar (C Steinm 1–5) – dem Minnedienst keine Absage erteilt und den Herbst als neuen Dienstherrn erwählt, sondern der Herbst übernimmt die Rolle, die traditionell der Frühling innehat: Seine Freuden können das innere Sehnen des Sprechers nicht stillen. So steht auch in C Baumb 4 das Minneleid den herbstlichen Freuden gegenüber. Wie auf den Sommer der Herbst folgt, so hofft der Sprecher in C Baumb 7 8 9, dass auf seinen Dienst die Minnefreude folgen wird. In C Baumb 13 14 15 verbindet die Speisethematik Natureingang und Minnethematik. In C Baum 16 17 18 ist es der Winter, der als Zeit der Buße dem frühlingshaften Überfluss entgegensteht; in k2 Baumb 1 2 3 verkörpert der Gesang der Nachtigall, der im Winter verstummt, die Frühlingsfreuden, die dem Minneleid des Sprechers entgegenstehen.
Neben der Naturbildlichkeit finden sich weitere originelle Bilder in den Liedern; so veranschaulichen C Baumb 2 und C Baumb 14 auf drastische Weise das Minneleid als ›Herzensqual‹.
Auch die wiederholte Kleidungsmetaphorik ist auffällig: Die Minne lässt dem Sprecher keinen einzigen Freudenfaden an seinem Körper (C Baumb 5, V. 1f.); bevor er zugrunde geht, will er seiner Geliebten in Säcken gekleidet nachschleichen (C Baumb 15, V. 9–11); die Heide begibt sich im Winter in grawen orden (C Baumb 16, V. 6 [mit Konjektur]); des Minnesangs unwürdig ist derjenige, swer getragener kleider gert (C Baumb 18, V. 13). In Lied 4 wird die Ehre der Dame mit einem Kleid verglichen, wenn der Sprecher seine Geliebte in C Baumb 11 von einer Dame aus Iper degradiert zu einer aus Huye, »zwei Zentren flandrischer Textilindustrie: Ypern dient als Synonym allererster Stoffqualität; damit verglichen stellt Huy bereits ein Gütezeichen zweiter Klasse dar« (Schiendorfer, S. 170).
Dieses Lied (C Baumb 10 11 12) nimmt insgesamt eine besondere Stellung ein: Findet sich in anderen Lieder meist ein Lob der Frauen (z. B. C Baumb 17: Frauengüte ist eine gralaritge Hilfe der Menschen zum Heil), steht hier eine parodistische Anklage der unwürdigen Minnedame, die in der Drohung endet, ein woͤrtelin (III,8) zu sprechen, dass sie zum Weinen bringen wird.
Sandra Hofert
Incipit | Hs. | Strophen | Editionen |
C | 1 2 3 | SMS 28 1 I | |
C | 4 5 6 | SMS 28 2 I | |
C | 7 8 9 | SMS 28 3 I | |
C | 10 11 12 | SMS 28 4 I | |
C | 13 14 15 | SMS 28 5 I | |
C | 16 17 18 | SMS 28 6 I |