Sehr wahrscheinlich gehörte Burkhard von Hohenfels der in der Nähe des Bodensees belegten Ministerialen-Familie von Hohenfels an. Auch das Wappen im Bild, welches das Korpus in C einleitet, weist auf diese hin (vgl. Bumke, S. 39, und Meyer, S. 160f.). In Urkunden zwischen 1191 und 1292 finden sich wahrscheinlich drei Personen dieses Namens, was die Identifikation des Minnesängers schwierig macht. Als Autor der Lieder kommt entweder ein zwischen 1216 und 1228 (je nach Beurteilung der Quellen unter Umständen auch bis 1235 oder 1242) in Urkunden bezeugter Ministeriale oder ein später belegter Konstanzer Domherr in Frage (vgl. Meves, S. 227–242, und Meyer, S. 127–193). Der ältere dieser beiden taucht einmal im Umkreis Kaiser Friedrichs II. und mehrere Male im Umkreis König Heinrichs (VII.) als Zeuge auf (vgl. Meves, S. 231). Da er mindestens zweimal zusammen mit dem Vater und dem Bruder Gottfrieds von Neifen in Urkunden belegt ist, kannte er wahrscheinlich auch diesen und sicherlich auch andere Minnesänger. Ebenfalls bekannt war er mit dem Literaturförderer Konrad von Winterstetten (vgl. Meves, S. 231).
Von 1249 bis 1292 erscheint allerdings auch ein Konstanzer Domherr namens Burkhard von Hohenfels in Urkunden (vgl. Meyer, S. 145–147, 171–193). Es ist naheliegend, aber nicht belegbar, dass dieser ein jüngerer Verwandter des Ministerialen war. Wenn es sich bei diesem jüngeren Burkhard von Hohenfels um den Autor handelt, müssten die Lieder später datiert werden. Der intellektualistische und allegorische Gestus einiger Lieder legt (abgesehen davon, dass ein solcher Gestus im späteren 13. Jahrhundert vielleicht erwartbarer erscheint) eine gewisse Nähe zu geistlichen Diskurs- und Argumentationsmustern nahe und könnte ein Indiz für geistliche Bildung sein, was für den Domherrn Burkhard von Hohenfels als Autor sprechen mag (vorsichtig erwogen bei Hübner, S. 62). Auch taucht dieser einmal mit Rüdiger II. Manesse und dessen Sohn Johannes in einer Urkunde auf (vgl. Meyer, S. 159, 178f.); diese werden mit der Sammlung der Handschrift C in Verbindung gebracht, in der Burkhards Lieder unikal überliefert sind. Allerdings ist keines dieser Indizien zwingend, und die Forschung neigt vielleicht zurecht weiter zu einer Identifikation des Minnesängers mit dem früher belegten Ministerialen (Wachinger, S. 694; Meyer, S. 170f.; Hübner, S. 62).
Die Manessische Liederhandschrift (C) überliefert unter dem Namen Burkhards von Hohenfels unikal 81 Strophen in 18 Liedern (fol. 110v–113r). Das einleitende, recht generische Paarbild (fol. 110r) zeigt eine vornehm gekleidete männliche Figur, die einer weiblichen Figur ein Schriftstück überreicht. Paläographische und kodikologische Befunde lassen gewisse Rückschlüsse darauf zu, wie die Lieder eingetragen wurden. Wie sowohl ein Schreiberwechsel (mit C Burk 6; vgl. Pfaff/Salowsky, Sp. 373) als auch der nach unten weitergezogene Fleuronéeschmuck von C Burk 5 anzeigen, der das Schriftbild der Folgestrophen stört (auf der linken Seite von fol. 110v bei C Burk 6–9; vgl. Salowsky, S. 431), wurden zunächst nur die Strophen C Burk 1–5 eingetragen; mit fol. 110v und einer zusätzlichen Seite (jetzt fol. 113r) ließ man relativ wenig Platz bis zum nächsten Korpusbild (fol. 113v: Hesso von Rinach). Offenbar erwartete man ein eher kleines Korpus, wie sie sich öfter in C finden. Diese Erwartung stellte sich als falsch heraus: Ein substanzieller Nachtrag, der entweder die Strophen bis einschließlich C Burk 31 bzw. 33 oder vielleicht sogar das ganze Restkorpus (so Salowsky, S. 431) umfasste, machte die Einlage eines Doppelblatts (fol. 111r–112v) notwendig (vgl. Kuhn, Sp. 1135). Anhaltspunkte für einen weiteren Vorlagenwechsel könnten zwei vielleicht miteinander verbundene Indizien auf fol. 111r bieten: C Burk 32 und 33 sind als solche am Rand gekennzeichnete Nachtragsstrophen und bilden mit C Burk 11–13 ein Lied; gleichzeitig scheint sich mit dem folgenden Lied (ab C Burk 34) der Charakter der Schrift zu verändern. Vielleicht wurden also zunächst C Burk 6–31 eingetragen, wobei am Ende noch die Nachtragsstrophen C Burk 32 und 33 hinzugefügt wurden, und dann erst der Rest des Korpus. Nicht erkennbar dagegen ist der von Pfaff/Salowsky, Sp. 380, vermerkte Wechsel der Schreiberhand mit C Burk 37, den Kuhn, Sp. 1135, als potenzielles Indiz für einen Vorlagenwechsel mit Lied C Burk 37–41 ins Spiel gebracht hat. Der Nachtrag C Burk 32 und 33 könnte auch darauf hindeuten, dass das Lied ›Ich wil von der minneklichen‹ in einer dreistrophigen und einer fünfstrophigen Fassung im Umlauf war.
Formal besteht das überlieferte Werk mit einer Ausnahme (dem vierstrophigen Lied C Burk 50–53) aus drei- und in der Mehrzahl fünfstrophigen Kanzonen. Strukturell stechen einige Lieder durch formal komplexe und außergewöhnliche Abgesänge heraus (C Burk 6–10; C Burk 14–16; C Burk 17–21; C Burk 34–36). Thematisch lassen sich Tanz- und Gesprächsliedern von Minnekanzonen im traditionellen Themenspektrum von Minneklage, Frauenpreis und Gedankenliebe unterscheiden.
In den Minnekanzonen, die den Hauptteil des Korpus ausmachen, herrschen Frauenpreis und Thematiken von Leid und Liebessehnsucht vor, wie sie für den Minnesang und seine Konstellationen typisch sind: Das Subjekt des Minneaffekts kommuniziert die Sondererfahrung eines unerwiderten Verliebtseins. In diesen Minneliedern wird Kopräsenz mit der geliebten Frau lediglich in der Imagination erlebt. Die Lieder entwerfen dabei innovative metaphorisch-allegorische Szenerien, um Wünsche und Phantasien einer gedanklichen Liebesgegenseitigkeit auszudrücken. Besonders signifikant ist die Arbeit der Minnekanzonen an lyrisch-bildgebenden Verfahren für psychologische Vorgänge im minnebetroffenen Subjekt. Die Metaphorik dient nicht nur der Intensivierung des literarischen Ausdrucks, sondern auch der Sichtbarmachung nicht wahrnehmbarer Vorgänge innerhalb der (männlichen) Vorstellungs- und Gefühlswelt; dies gelingt über sinnliche Analoga aus einer im weiteren Sinne adlig geprägten und stilisierten Lebenswelt. Dementsprechend werden psychologische Vorgänge in Allegorien, Bildern und Vergleichen veranschaulicht, die zwar zum größeren Teil für die mittelalterliche Liebessprache konventionell, deren strophenübergreifende Persistenzen und allegorische Szenarien aber außergewöhnlich sind. Bilder, Vergleiche und allegorische Partien können, wie im Minne-Bestiarius (C Burk 6–10), eher statisch-allegorisch angelegt sein, können in anderen Liedern aber auch psychologische Vorgänge entweder in kohärent durchgeführten allegorischen Szenerien oder in alludierenden, gelegentlich schnell wechselnden Bildfeldern dynamisch-handlungsbetont anschaulich machen.
Die Intensität bildhafter Sprache ist in den Minnekanzonen an ein offensichtliches Interesse an inneren Gefühls- und Kognitionsprozessen gekoppelt. Diese metaphorische Darstellung minnepsychologischer Prozesse (oft mit Bildfeldern aus Jagd und Falknerei verbunden) ist in einigen Liedern (bes. C Burk 37–41 und 50–53) stark differenziert: Innere psychische Instanzen werden hier auf allegorische Akteure aufgeteilt (sin, muot, gedanc), was vielleicht aristotelische Vorstellungen, sicherlich aber zeitgenössische Modelle kognitiver Vorgänge voraussetzt. Da die Lieder auf diese Weise innere Gefühls- und Kognitionsprozesse anschaulich machen und in metaphorischen oder allegorischen Spekulationen kreativ durchspielen, wurde Burkhard zurecht als »psychologischer Theoretiker« bezeichnet, der an der »Introversion des Minneverhältnisses« interessiert war (beide Zitate Kuhn, S. 39). Neben der Jagd und Falknerei finden sich in seinen Liedern auch andere Bildfelder, etwa aus dem gartenbaulichen, belehnungsrituellen (C Burk 74–78) oder kriegerisch-belagerungstechnischen Bereich (C Burk 69–73). Die Minne selbst, was im minnedidaktischen Lied C Burk 59–63 und im Sommertanzlied C Burk 45–49 explizit zur Sprache kommt, wird in Burkhards Liedern als imaginationsanregende Kraft verstanden. Dies thematisieren die Lieder und stellen es gleichzeitig performativ aus, indem sie im Wortsinn bildgebende Verfahren entwickeln, die das menschlich(-männliche) Innere in der Sondererfahrung Minne zeigen.
Die Tanz- und Gespielinnengesprächslieder zeigen Nähe zu Neidharts Liedern und gehören vielleicht – sofern die Identifikation mit dem Ministerialen Burkhard von Hohenfels, also dem älteren Träger des Namens, richtig ist – zu den frühesten erhaltenen Beispielen einer Rezeption von neidhartischen Mustern, wenn sie nicht auf verwandte, kaum schriftlich belegte Traditionen einer volkssprachlichen Tanz- und Freudelyrik zurückgehen (vgl. Goheen, S. 59–62, und Worstbrock). Dominierende Themen dieser Gruppe von Liedern im Burkhard-Korpus sind Freude und Freiheit. Sie finden sich im kollektiven Tanz- und Festgeschehen (C Burk 1–5 und C Burk 45–49) und in männlichem Liebesbegehren artikuliert (C Burk 45–49). Die Lieder machen aber auch weibliche Stimmen hörbar, die Möglichkeiten einer Befreiung aus dem Zwang von arrangierter Ehe (C Burk 64–68) sowie von Disziplinierung und Sozialkontrolle diskutieren (C Burk 27–31). Ein weiteres Gesprächslied (C Burk 54–58) präsentiert die Stimmen einer Orientierung suchenden Frau und eines ratgebenden Mannes in einem minneethischen und gendernormativen Dialog.
Die lange gehegte Vorstellung, dass der Stauferhof der primäre Ort der Produktion und Rezeption von Burkhards Minnesang gewesen sei, lässt sich nicht wahrscheinlich machen (vgl. Meves, S. 231f.; Meyer, S. 127–193 und 391–401; Hübner, S. 22 und 62–64.). Genauso wenig ist die Vorstellung eines spätstaufischen Dichterkreises oder einer schwäbischen Dichterschule, deren Mitglied Burkhard gewesen sei, belegbar. Auch der Versuch der älteren Forschung, diesen vermeintlichen Kreis mit einer stilgeschichtlichen »Wende« (Kuhn) zu verbinden – einer Wende zu einem formal-objektiveren Stil –, ist nicht haltbar. Burkhards Lieder stehen thematisch und zum Teil auch stilistisch dem reflektierenden Minnesang etwa Heinrichs von Morungen oder Rudolfs von Fenis näher als etwa der formal-experimentierenden Lyrik Gottfrieds von Neifen. So lässt sich das Burkhard-Korpus weder für eine ›nachklassische Wende‹ noch für eine vermeintliche schwäbische Gruppenbildung vereinnahmen.
Incipit | Hs. | Strophen | Editionen |
C | 45–49 | KLD 6 XI | |
C | 17–21 | KLD 6 V | |
C | 22–26 | KLD 6 VI | |
C | 79 80 81 | KLD 6 XVIII | |
C | 74–78 | KLD 6 XVII | |
C | 64–68 | KLD 6 XV | |
C | 27–31 | KLD 6 VII | |
C | 11 12 13 + 32 33 | KLD 6 III | |
C | 69–73 | KLD 6 XVI | |
C | 37–41 | KLD 6 IX | |
C | 6–10 | KLD 6 II | |
C | 59–63 | KLD 6 XIV | |
C | 34 35 36 | KLD 6 VIII | |
C | 42 43 44 | KLD 6 X | |
C | 14 15 16 | KLD 6 IV | |
C | 50 51 52 53 | KLD 6 XII | |
C | 54–58 | KLD 6 XIII | |
C | 1–5 | KLD 6 I |