Autor
Das schweizerdeutsche Appellativ Goeli, was soviel wie ›Spaßtreiber‹ oder ›Narr‹ bedeutet (vgl. Schweizerisches Idiotikon 2, Sp. 215f.), ist seit dem 13. Jh. auch als Familienname nachgewiesen. Die genaue Identifikation des Dichters, der im Inhaltsverzeichnis des Codex Manesse auf fol. 5r auch als Her Goͤni bezeichnet wird (›Schmarotzer‹, vgl. Schweizerisches Idiotikon 2, Sp. 335f.), ist allerdings nicht sicher (vgl. Mertens, Sp. 95). Er gilt als ›Nachahmer‹ Neidharts, angesiedelt in einem städtischen Umfeld (vgl. z. B. Bärmann, S. 155). Vermutet wird ein Vertreter aus einer in Basel ansässigen und ursprünglich aus Baden im Aargau (oder Badenweiler im Schwarzwald?) stammenden Familie. Die in Goelis Liedern aufgeführten Namen wurden, obwohl sie bereits von Neidhart literarisiert worden sind, teilweise historisch gedeutet, sodass der Basler Diethelmus Goli(n), bezeugt zwischen 1254 und 1276, als Dichter angenommen wurde (so z. B. Herzog). Grimme, S. 307–309, widerspricht und verweist stattdessen auf einen Goeli, welcher Vogt des Grafen Egono III. von Freiburg im Breisgau war und zwischen 1273 und 1289 urkundet (vgl. auch Grimme, S. 97–105).
Überlieferung und Werk
Inhaltlich sind die Lieder Goelis teilweise schwer verständlich, gleichzeitig zeigen sie Parallelen zu Neidhart, was sich auch in der Überlieferungssituation spiegelt: Unter Her Goͤli (rubrizierte Bildüberschrift auf fol. 262v) überliefert der Codex Manesse 19 Strophen, zusammengefasst zu drei Liedern (zum in der Forschung umstrittenen Liedzusammenhang des zweiten Liedes s. den Liedkommentar zu C Goeli 6–17 et al.): einem fünf-, einem zwölf- und einem zweistrophigen, wobei über zwei Kreuze eine Zusammengehörigkeit der Strophen C Goeli 18 19 und C Goeli 1–5 angezeigt wird. Aufgrund der formalen Differenzen von C Goeli 18 und 19 sowie des inhaltlich nur losen Zusammenhangs der beiden Strophen ist anzunehmen, dass sie aus unterschiedlichen Liedkontexten stammen und hier am Ende des Korpus als Nachtragsstrophen zusammengestellt wurden (s. dazu auch unten sowie die Liedkommentare). Überliefert in der 24. Lage, sind die vom Schreiber AS geschriebenen Lieder Teil des Grundstock-Segments C (vgl. Henkes-Zin, S. 36).
Parallelüberlieferungen zu den ersten beiden Liedern finden sich in der Weingartner Liederhandschrift B: Hier stehen zwölf Strophen in einem namenlosen Korpus, das zur Neidhart-Überlieferung zählt und »nicht mehr zum *BC-Bestand der Weingartner Liederhandschrift gehört, sondern aus einer späteren Nachtragsschicht von B stammt« (Holznagel, S. 335). Die Strophen sind zu zwei Liedern zusammenfasst, die von einer späteren Hand am oberen linken Blattrand (pag. 196, 198) beide Goli zugewiesen wurden. Das zweite Lied in B ist in Hinblick auf Strophenauswahl, -anordnung und ungefähren Textbestand weitestgehend parallel zum ersten Lied in C (die deutlichsten Abweichungen bietet die erste Strophe); das erste Lied in B ist aus sieben Strophen zusammengesetzt, die in anderer Reihenfolge und mit gewissen Abweichungen im Textbestand Teil des in C zweiten Liedes sind.
Die Berliner Neidhart-Handschrift c überliefert unter Goſßlins döm ein fünfstrophiges Lied, in dem vier Strophen des in C ersten, in B zweiten Liedes in veränderter Reihenfolge aufgegriffen werden, ergänzt um eine Zusatzstrophe (c *Neidh 33), die wiederum eine Parallelüberlieferung zu C Goeli 19 ist, welche in C das Goeli-Korpus abschließt (s. auch die Kreuzmarkierungen in C, die eine Zusammengehörigkeit der Lieder I und III markieren). An späterer Stelle steht in c unter Der Waibell ein elfstrophiges Lied, wobei zehn Strophen Parallelüberlieferungen zu dem in C zweiten Lied sind, ergänzt um eine unikal in c überlieferte Strophe (c *Neidh 351). An anderer Stelle findet sich ein sechsstrophiges Lied, das mit anderer Strophenfolge und gewissen Abweichungen im Textbestand auch in der Riedegger Handschrift R überliefert ist. Die in beiden Handschriften letzte Strophe ist zudem eine Parallelüberlieferung zu C Goeli 18.
Das Neidhart-Fragment O3 schließlich überliefert mit Melodie ein fünfstrophiges Lied (wobei die ersten drei Strophen und damit auch die Melodieüberlieferung fragmentarisch sind) als Parallelüberlieferungen zu Strophen des in C zweiten Liedes.
Die Überlieferung erweist sich sowohl in Hinblick auf Strophenauswahl und -anordnung als auch bezüglich des Textbestandes als variantenreich. Eine Übersicht über die beschriebene Überlieferungssituation bietet die folgende Tabelle:
Überlieferungssituation
C Goeli |
B Namenl/182 |
O3 Namenl |
c *Neidh |
R Neidh |
1–5 |
59–63 |
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30–34 (außer 33) |
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6–17 |
52–58 |
13–17 |
342–352 |
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18
19
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974–979 |
234–239 |
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30–34 (33) |
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Die Form aller Strophen ist sehr ähnlich: elfversige Stollenstrophen mit einem sechsversigen Aufgesang und einem fünfversigen Abgesang (vierversiger Abgesang nur bei C Goeli 18 / R Neidh 234–239 / c *Neidh 974–979), dabei drei Reimklänge im Auf-, zwei andere im Abgesang. Inhaltlich stehen sie Neidharts Sommer- und Winterliedern nahe: Sommerliche Natureingänge leiten Lieder ein, deren Personal teilweise explizit als dörperlich markiert ist, teilweise unbestimmt bleibt (vgl. z. B. c *Neidh 350, V. 2, 5 und 11 im Gegensatz zur Parallelüberlieferung C Goeli 16). Dass Dörpertum dabei nicht zwangsweise einhergeht mit einem bäuerlichen Stand, macht etwa die Charakterisierung eines Dörpers als Burgeigentümer in c *Neidh 350, V. 9, deutlich. Rivalität um die Tanzleitung und Raufereien bestimmen die Lieder, wobei die Rolle des Sänger-Ichs tendenziell (insbesondere in Lied I) unbestimmt bzw. mehrdeutig bleibt und, anders als bei Neidhart, keine klare Konfrontation zwischen Ritter und Dörpern zu erkennen ist. Bärmann, S. 112, vermutet in diesem Zusammenhang: »Der Basler Dichter hatte in seinen Liedern sicherlich nicht durchweg Dörper Neidhartscher Provenienz auftreten lassen. Jedenfalls fehlen eindeutige Hinweise, und man wird vielmehr an Personen aus dem städtischen Milieu zu denken haben [...]. Die Rezeption der Lieder zeigt aber, daß sie bald wie gewöhnliche Neidharte verstanden und an markanten Stellen bezeichnenderweise genau diesem Liedtyp angepaßt worden sind«.
Die Miniatur in C zeigt zwei Herren, die Wurfzabel spielen. Der Linke, mit Pelzbarett und Bart als der Ältere markiert, hat soeben gewürfelt und hält einen Spielstein in der Hand, auf den sein Gegenüber zeigt. Über den Figuren befindet sich rechts ein Schild mit einem schwarzweiß geschachten, gekrönten Löwen auf rotem Grund; rechts daneben ein Helm mit dem gleichen Löwen als Zimier. Walther vermutet hier eine Kompilation zweier Wappen: »Die Schildfarben kommen im Wappen der von Baden (aus Badenweiler) vor, während ein Löwe die Wappenfigur der gleichnamigen Familie aus Baden im Aargau bildet. Falls beide Familien nicht gleichen Ursprungs sind, hat sich der Wappenmaler hier als heraldischer Kompilator betätigt« (S. 183). Frühmorgen-Voss erwägt eine Analogie des Wappens zum Bildthema: Es sei möglich, »daß es seine Tinkturen nur in Responsion zum schwarz-weißen Trictracbrett gefunden hätte« (S. 208). Die Möglichkeit, es handele sich um ein redendes Wappen, das auf die beiden Löwenvergleiche in C Goeli 4, V. 3, sowie C Goeli 16, V. 6, zurückgeht, zieht Bärmann, S. 27, in Betracht.
Sandra Hofert