Autor
Die historische Identität von Ulrich von Gutenburg ist ungeklärt. Die Wappen der Miniaturen (siehe unten) sind in ihrer Deutung unsicher; der Name wiederum begegnet mehrfach in Urkunden des ausgehenden 12. Jahrhunderts (Sammlung der Dokumente bei Meves, S. 823–835). Möglicherweise war Ulrich Angehöriger einer elsässischen oder pfälzischen Freiherrnfamilie. Nicht unwahrscheinlich ist eine Verbindung zum so genannten ›Hausen-Kreis‹ (Friedrich von Hausen, Bligger von Steinach, Bernger von Horheim) sowie zu den Staufern, konkret Friedrich I. Barbarossa und Heinrich VI. Der Kontakt mit der Dichtung der Trobadors könnte – je nach Deutung der Urkundenlage – an oberitalienischen Höfen stattgefunden haben.
Weitere Indizien für die zeitliche Einordnung Ulrichs beruhen auf relativer Chronologie: Wenn Ulrichs Lied Kontrafaktur eines Liedes von Blondel de Nesle ist (siehe den Liedkommentar), spricht dies für eine Schaffenszeit nicht wesentlich vor 1200 bzw. im frühesten 13. Jahrhundert. Als verstorben wird Ulrich erwähnt um 1220/30 von Heinrich von dem Türlin in der Dichterschau der ›Krone‹ (V. 2444, hier unmittelbar nach Friedrich von Hausen) sowie in einer anonym überlieferten Strophe, die möglicherweise Reinmar von Brennenberg gehört (D Namenl/43r 1,12), desgleichen in einem Katalog von Leichdichtern bei dem von Gliers (SMS 8,3,7,8).
Überlieferung
Je ein Kleinstkorpus in BC. B überliefert nur sechs Strophen eines Liedes, C außerdem und davor den umfänglichen Leich. Im Vergleich der beiden Liedfassungen ist das Bemühen von C erkennbar, das Lied den Formvorstellungen des deutschen Minnesangs um 1300 anzuverwandeln; siehe den Liedkommentar.
Das B-Korpus füllt nur anderthalb Seiten (pag. 74f.), die Miniatur (pag. 73) trägt den Titel HER VͦLRICH VON GVͦTENBURG; zu sehen ist der sitzende Sänger in roter Kleidung, der ein leeres Spruchband hält; darüber links ein Schildwappen (schwarzer Löwe auf gelbem Grund mit rotem Querstrich), rechts ein Helmwappen (grüner Helm mit roter Helmzier und zwei gelben Hörnern, auf diesen je sieben schwarze Kolben).
Das C-Korpus (fol. 73v–75r) gehört zum Grundstock-Untersegment BA (zum Korpus: Henkes-Zin, S. 130–132), in dem sich u. a. auch die Korpora von Friedrich von Hausen und Bernger von Horheim finden. Die Marginalie zu Korpusbeginn nennt von gvͦtenburg (fol. 73v), die Korpusminiatur (fol. 73r) ist überschrieben mit her vͦlrich von Guͦtenburg. Sie zeigt den Sänger auf einem Pferd reitend, die Zügel in der rechten, einen Falken auf der linken Hand, am Kopf einen ins Auge fallenden grünen Hut mit Pfauenfedern. Am oberen Bildrand firmieren abermals Schildwappen links (schwarzer Löwe auf Goldgrund mit rotem Querstrich) und Helmwappen rechts (roter Helm mit zwei goldenen Hörnern, auf diesen je sieben schwarze Kolben).
Werk
Literarhistorisch charakteristisch für Ulrich von Gutenburg ist seine Nähe zur Romania und zur ›Hausen-Schule‹; stilgeschichtlich fällt er auf mit langen, vergleichsweise komplexen Satzperioden und üppiger Sprachbildlichkeit, sodass man vielleicht von Geblümtem Stil, jedenfalls von einem Hang zum Manierismus reden könnte; inhaltlich repräsentieren die beiden Gedichte ›klassische‹ Hohe Minne und fügen sich nahtlos ein in den Minnesang des ausgehenden 12. und beginnenden 13. Jahrhunderts.
Verblüffend ist die formale Diskrepanz zwischen Leich und Lied: Während jener sich, in metrischer und reimtechnischer Hinsicht, als formstreng und konservativ erweist, ist dieses entweder formale Entgleisung oder formales Experiment nach romanischem Vorbild. Inwieweit diese Diskrepanz von der Überlieferung zu verantworten ist, lässt sich schwerlich klären; dass C die formale Eigensinnigkeit des Liedes im Vergleich zu B merklich reduziert, mag dagegensprechen.
Florian Kragl