Autor
Graf Wernher von Hohenberg (oder Homberg) lebte von 1283 bis 1320: Als Sohn Ludwigs I. von Hohenberg und Elisabeth von Rapperswil ist er 1304/1305 als Deutschordensritter nach Litauen gezogen, 1310 mit Heinrich VII. nach Italien. Vom Kaiser bekam er Ämter in der Schweiz und in der Lombardei übertragen; nach dem Tod des Kaisers (1313) ist Wernher in der Umgebung des neuen Königs Friedrichs des Schönen belegt. 1315 heiratete er Maria von Oettingen; 1316 zog er mit Friedrich gegen Ludwig von Bayern, wobei er in langjährige Gefangenschaft geriet. 1320 starb er schließlich bei der Belagerung Genuas; mit dem Tod seines Sohnes Wernher III. (1325) starb das Geschlecht aus. (Zum Dichter vgl. Jahn, Kornrumpf sowie Schiendorfer; eine Übersicht über die Regesten des Wernher von Hohenberg gibt Wyss, S. 17–23; anders nur Wilmanns, der die Identität des Dichters mit diesem Wernher bezweifelt und die Lieder einem gleichnamigen Vertreter des Geschlechts aus dem frühen 13. Jh. zuschreibt.)
Die zeitgenössischen Zeugnisse, die Wernher als Kriegshelden oder Minneritter loben, sind zahlreich: Mehrere deutsche und italienische Chronisten berichten von ihm; er wird in zwei Reimpaarreden gewürdigt (vgl. Klingner/Lieb: B472 ›Lob der ritterlichen Minne‹ und B475 ›Totenklage um Graf Wernher von Hohenberg‹); in der Minnerede ›Die sechs Farben I‹ (B372) wird er als Autorität der Farbauslegung genannt. Doch: »Ob damit der gleichnamige Schweizer Minnesänger gemeint ist, kann nicht gesagt werden« (Klingner/Lieb, Bd. 1, S. 587).
Überlieferung und Werk
Überschrieben mit Grave Wernher von Honberg (Bildüberschrift auf fol. 43v) überliefert der Codex Manesse insgesamt 15 Strophen, wobei vor der letzten Strophe Platz für eine weitere Strophe gelassen wurde; am Ende sind der Rest der Seite sowie die folgenden drei Seiten frei. Geschrieben vom Schreiber DS1 (Str. I–XIV) und DS2 (Str. XV) ist das Nachtragskorpus Teil der IV. Lage (vgl. Henkes-Zin, S. 17, 33).
Auffällig ist die verzierte Initiale am Korpusbeginn: Illuminator »J5 hat hier den von J6 gemalten Buchstaben mit einem zusätzlichen Fleuronéeteil versehen und die bereits von J6 eingerichtete Schmuckleiste um Motive ergänzt« (ebd., S. 24), Motive, die ebenfalls in der von Nachtragsmaler N III angefertigten Miniatur auf fol. 43v zu finden sind: Das Wappentier des Doppelschwans, der in beiden Schnäbeln einen Ring mit rotem Stein trägt, wurde vermutlich von J5 der Miniatur entnommen, wo es als Helmzier des Grafen von Hohenberg zu finden ist und auch den Kopf seines Pferdes ziert (vgl. zur Verbindung von Initiale und Miniatur auch Salowsky, S. 437). Diese Zimier ist historisch belegt: Es sind »die beiden rapperswilischen Schwanenhälse, die zum Zeichen der Verbindung zwischen den Häusern Homberg und Rapperswil je einen goldenen Ring mit rubinrotem Stein im Schnabel tragen« (Schneider, S. 253).
Insgesamt zeigt die Szene der Miniatur einen Kriegsschauplatz (was in der Forschung biographisch mit der »Erstürmung der Stadt Soncino (März 1312)« [Janota, S. 158] in Verbindung gebracht wird). Zu sehen ist, wie der Dichter eine Gruppe berittener Kämpfer anführt, welche von rechts in das Bild reiten und auf ihre von links kommenden Gegner stoßen, die teilweise zu Fuß, teilweise ebenfalls zu Pferd unterwegs sind. Links im Hintergrund sind die Mauern und Fenster einer Stadt angedeutet, von wo aus drei Frauen das Geschehen beobachten. Die Kämpfer scheinen alle unterschiedliche heraldische Embleme zu tragen (eine mögliche historische Zuordnung gibt Schiendorfer, S. 109), wobei der Dichter durch seine Zentralstellung besonders hervorgehoben ist: Neben den Schwanenhelmen tragen er und sein Pferd auf Waffenrock und Couvertüre mehrfach das homberger Wappen, welches ebenfalls auf der Bannerfahne zu sehen ist: zwei schwarze Alder auf goldenem Grund. (Zur Herkunft des Wappens vgl. Roth, der den doppelten Adler mit der Geschichte des Geschlechts und seiner Trennung in zwei Häuser erklärt.)
Die 15 Strophen bilden zusammen acht Lieder, drei dreistrophige, ein zweistrophiges (wobei die Lücke nach der zweiten Strophe Raum für eine dritte Strophe lässt) und vier Einzelstrophen. Nicht nur der hohe Anteil an Einzelstrophen, sondern auch die Töne stehen in Tradition der Sangspruchdichtung (C Hohenb 1 steht in Süßkinds von Trimberg Ton VI; C Hohenb 2 3 4 entsprechen formal Ton I des Wilden Alexanders, C Hohenb 5 ist im Roten Ton des Zwinger verfasst und der Ton von C Hohenb 6 wird später vom Mönchen von Salzburg aufgegriffen). Inhaltlich jedoch bewegen sich die Lieder eindeutig im Minnekontext: Die drei ersten Lieder (jene in den Fremdtönen) spielen mit der Rolle des Sängers als Reisenden, der sein Herz bei der Geliebten als Pfand zurücklässt (was in der Forschung gelegentlich biographisch gedeutet wird, so etwa von Schiendorfer, S. 116: »Es liegt [...] durchaus nahe, dieses ›Leitmotiv‹ in Zusammenhang mit den rastlosen Reisen seines realen Lebens zu bringen«). Lied 4 ist geprägt von einem Frauenpreis mit Schönheitskatalog; Lied 5 breitet »[e]inen ganzen Bilderbogen« (Schiendorfer, Sp. 939) (u. a. von Zauber, Gefangenschaft, Pfand und Steuer) aus. In Lied 6 verwünscht der Sprecher den Mann an der Seite seiner Geliebten – möglicherweise ihren Ehemann. So vermutet Schiendorfer, Sp. 939: »Die Figur des Ehemanns ist wohl von der Trobadorlyrik (gilos) angeregt, die W. namentlich in der Lombardei kennengelernt haben könnte«. Lied 7 kombiniert eine Minneklage mit einem winterlichen Natureingang; in Lied 8 bekennt sich der Sänger dazu, aus Furcht vor seiner Geliebten nicht zu ihr sprechen zu können.
Sandra Hofert