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Heinrich gehörte dem Geschlecht derer von Stretelingen an, das seit dem 12. Jahrhundert urkundlich bezeugt ist und Besitzungen am Thunersee hatte. Es ist nicht sicher, welcher Vertreter des Geschlechts die Minnelieder abgefasst hat, denn der Name Heinrich kommt in der Familie häufig vor, zuerst 1175 in einer Urkunde Berchtolds von Burgund. Der zwischen 1250 und 1263 erscheinende Vertreter dieses Namens ist wahrscheinlich sein Enkel, Heinrich II. 1260 kämpfte er mit seinem Bruder Rudolf im Krieg des Grafen Peter von Savoyen gegen den Bischof Heinrich von Wallis. Als Lohn erhielten sie im Tal von Stretelingen eine Herrschaft mit Burg. Heinrich III. schließlich urkundet von 1263 bis 1294. In seiner Zeit begann der wirtschaftliche Niedergang des Geschlechts. So musste er 1290 seinem Onkel zur Burg Spiez gehörende Güter verpfänden.
Als Sänger kommen Heinrich II. und Heinrich III. in Betracht; ihr gleichnamiger Vorfahr ist zu früh. Die ältere Forschung spricht sich für Heinrich III. aus. Sie stützt sich auf die sogenannte Stretlinger Chronik des Kirchherrn von Einigen, Eulogius Kiburger, eine in Teilen ungesicherte Genealogie der Herren von Stretelingen aus dem 15. Jahrhundert. Sie erzählt von einem Heinrich von Laubegg, der am Ende des 13. Jahrhunderts lebte und gerne ausgelassen Kirchweih feierte.
Diesen Heinrich von Laubegg identifiziert Jakob Baechtold, der Herausgeber der Chronik, mit dem wirtschaftlich erfolglosen Heinrich III. und dem Minnesänger. »Einem solchen Charakter schein[e] auch die Rolle des minnesiechen Sängers ungleich besser zu taugen« als seinem Vater (Baechtold, S. XVII). Dieser These muss man nicht folgen. Henrike Manuwald stellt fest, dass der Herausgeber selbst darauf hinweise, dass die Chronik vielfach Sagengut statt historischer Fakten berichte; es sei nicht sicher, dass Heinrich von Laubegg aus der Chronik und der Minnesänger wirklich dieselbe Person seien (vgl. Manuwald, S. 110).
Nun zeigen aber sowohl Heinrichs Miniatur in C (fol. 70v) als auch die Miniatur des Nagler’schen Fragments eine Tanzszene. Ingo Walther nimmt an, dass »die in der Chronik erwähnte Tanzfreudigkeit des Dichters [...] das Bildthema angeregt« hat (Walther, S. 61). Manuwald weist aber darauf hin, dass die Tanzszene sich auch auf Charakteristika der Lieder, nämlich die Refrains und die spezifische Rhythmik, beziehen könne (vgl. Manuwald, S. 121).
Überlieferung und Werk
Heinrichs Werk besteht aus drei Liedern, die unikal in C überliefert sind; das Nagler’sche Fragment überliefert zu Heinrich zwar die Miniatur, aber keine Strophen. Seine Lieder, von denen zwei einen Refrain haben, handeln vor allem vom Leid, das durch die Minne entsteht. Das Ich der Lieder sucht sich Verbündete, die ihm helfen sollen, die Gunst der Dame zu erringen: die Nachtigall, Frau Minne (C Stret 1–3) und das Publikum (C Stret 9–11). De Boor zählt Heinrich zur ›Neifen-Gruppe‹ (vgl. de Boor, S. 264): Das Motiv des roten Mundes, wiederkehrende Klagen und der Tod aus unerwiderter Liebe erinnerten an Gottfried von Neifen.
Stefanie Köpf