Autor
Über den Dichter Tannhäuser ist als historische Person nur wenig bekannt. Geboren wohl um 1200/1210, beläuft sich seine präsumtive Schaffenszeit etwa auf die Jahre 1230 bis 1265 (Brunner/Schrenk, S. 3). Über Herkunft und Stand des Dichters kann keine definitive Aussage getroffen werden (Bumke, S. 179f.). Allein, dass Tannhäuser eine längere Zeit am Hof Herzog Friedrichs II. des Streitbaren von Österreich gelebt und vermutlich in dessen Diensten gestanden hat, gilt als gesichert, genau wie sein Leben als fahrender Berufssänger nach dessen plötzlichem Tod im Jahr 1246 (Wachinger, Sp. 601; sowie Bumke, S. 180). Weitere biographische Informationen, die man dem in C überlieferten Werk zu entnehmen glaubt, etwa über spätere Gönner, verlorenen Besitz oder die Teilnahme an einem Kreuzzug bzw. einer Pilgerfahrt ins Heilige Land, müssen notwendigerweise unsicher bleiben (Wachinger, Sp. 601).
Überlieferung
Das Œuvre Tannhäusers ist beinahe ausschließlich unikal in der Manessischen Liederhandschrift C auf fol. 264r bis 269v überliefert. In ihr finden sich an erster Stelle sechs Leichdichtungen, danach folgen, allerdings nicht streng nach Gattungen getrennt, sechs Minnelieder, drei Spruchtöne und ein Pilgerlied. Insgesamt tradiert C so von der Hand des Grundstockschreibers AS neben den Leichs 37 Strophen (Salowsky, S. 425). Die ganzseitige Miniatur des Grundstockmalers zeigt inmitten von Blattranken einen Ritter in weißer Deutschordenstracht, in der linken oberen Ecke einen Helm mit schwarz-goldener Helmzier und in der rechten oberen Ecke einen geteilten Franzosenschild, dessen oberer Platz schwarz mit rautenförmiger Schraffur unterlegt und dessen unterer Platz golden ausgefüllt ist (Wachinger, Sp. 601f.; sowie Kalning u. a., S. 719). Spätere Fassungen des Liedes C Tannh 13–15 sind zum einen anonym in der Berliner Liederhandschrift mgf 922 auf Bl. 65rv, zum anderen in einer um acht Strophen erweiterten Fassung unter der Überschrift ›Des Danhusers Luode Leich‹ in der Kolmarer Liederhandschrift, Bl. 72r–73v, überliefert. Ein siebenstrophiges Meisterlied von mgq 414, Bl. 349v–351r, greift bruchstückartig auf die Strophen des Hoftons aus C zurück. Daneben finden sich in der Jenaer Liederhandschrift, fol. 42v–43v, ein Bußlied mit Melodie unter der Überschrift ›Der tanvser (Bl. 39v)‹ sowie eine zweifach überlieferte Hof- bzw. Tischzucht (Wien, cod. 2885, Bl. 39v–41v; Innsbruck, Ferdinandeum, cod. FB 32001, 26r–27r), für die die Autorschaft Tannhäusers aber nicht gesichert ist (Wachinger, Sp. 605f.). Im Meistersang ist der Tannhäuser durchaus noch präsent, vor allem über ihm zugeschriebene Töne, deren Vorbilder aber häufig nicht mehr auszumachen sind, und über Allusionen auf die Tannhäuser-Sage (Wachinger, Sp. 606–608; sowie RSM, 1Tanh/1–7). Nicht letztgültig zu klären ist ferner die Echtheit der von Spanke dem vierten Leich zugeschriebene Melodie des lateinischen Conductus ›Sion egredere‹ (Spanke; Wachinger, Sp. 602).
Werk
Das Werk enthält mit Leichdichtungen, Minneliedern und Sangsprüchen Beispiele aus den drei wichtigen lyrischen Gattungen. Mit sechs überlieferten, allesamt weltlichen Leichs darf der Tannhäuser als einer der Hauptvertreter dieser Gattung gelten. Aber auch die Minnelieder und Spruchtöne geben einen repräsentativen Einblick in die Lyrik der Zeit.
Inhaltlich stehen die Minnelieder (C Tannh 7–9, 10–12, 13–15, 16–18, 19–23, 40–42) und die Leichs mit Minnethematik (C Tannh 2, 3, 4) zwar alle in der Tradition der hohen Minne, wandeln es aber in signifikanter Weise ab. So führen sie produktive Variationen konventioneller Muster vor (z. B. Adynata-Kataloge) und ordnen sich damit dem experimentellen Charakter der Literatur des 13. Jahrhunderts zu, auch wenn sie ein ganz eigenes Profil aufweisen. Die Sangsprüche (Hofton, Ton XIV, XVI) und Leichs mit Spruchthematik (C Tannh 1, 5, 6) verhandeln mit Fahrendenthematik, Gönnerlob und -schelte, Wissens- und Kunstdiskurs, Didaxe und Religion viele relevante Themenbereiche der Gattung. Vielfach spielt in den Texten der Aspekt der Selbstbezüglichkeit eine Rolle, durch die ein liedinternes Selbstverständnis von Gesang und Sänger, mithin von Kunst zum Ausdruck kommt. Weitere wichtige Aspekte im Werk Tannhäusers wären der Hang zum Katalog, aber auch der gezielte Einsatz von Komik und von Ironie bis hin zur Parodie.
In der formalen Kunstfertigkeit stehen die Texte Tannhäusers der inhaltlichen Bandbreite in nichts nach. Die Lieder und Spruchtöne fußen auf altbekannten Mustern, erweitern diese aber teils in kunstvoller Form und bauen auch bislang unübliche Bestandteile wie ausführliche Refrains ein. Vor allem aber die Leichdichtungen sind ein eindrucksvolles Zeugnis formaler Artistik, das ohne die Melodien allerdings nicht mehr voll erschlossen werden kann.
Manuel Mildner