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Burkhard von Hohenfels, ›Ich wil die vil guͦten vlehen‹ (C 74–78) Lied zurückLied vorDruckerTEI Icon

Überlieferung

C Burk 74–78

Kommentar

Überlieferung: Das Lied ist unikal in Handschrift C überliefert.

Form: Gleichmäßig vierhebige Stollenstrophe mit längerem Schlussvers. 4-a 4b 4c / 4-a 4b 4c // 4d 4-e 4-e 6d.

Inhalt: Minnelied. Das Lied ist »im Rahmen des Minnesangs ein Einzelfall, der auf der Ebene seiner vasallitätsprozeduralen Systematik kein vergleichbares Pendant zu haben scheint«. Es ist »detailrealistisch, präzise und konsequent von der Spezifik lehnsrechtlicher Terminologie und Vasallitätsprozeduren bestimmt« (beide Zitate Peters, S. 651) und nutzt die lehnsrechtlich-erotische Doppelbödigkeit dieser Terminologie, um der Phantasie einer Unterwerfung des minneaffizierten Subjekts kaum verhüllt eine sich steigernde Phantasie sexueller Annäherung zu unterlegen. Zu Beginn der Str. I, der an die typische Formel mhd. Rätsel­stro­phen angelehnt ist, bittet das Ich die vrouwe um ein dinc als Lehen, das es allerdings bereits habe: offensichtlich ihre Minne, die das Ich in sich trägt, ohne dass sie sie gewährt hätte (vgl. zu diesem Paradox Otto von Botenlouben [C Botenl 1], der den Rätselgestus mit einer ähnlichen Denkfigur verbindet, allerdings mit umgekehrt paradoxer Logik: Dort gibt sie dem Ich etwas, das es dennoch nicht hat [ihre Minne] und dessen Besitz sich als unerreichbares Phantasma herausstellt). Die Einwilligung der vrouwe zur Lehensvergabe würde hyperbolische Freude auslösen (I,5–10). In Str. II reflekiert das Ich in der Logik und Sprache der Lehnsnahme über mögliche eigene Handlungen und will die vrouwe, die nun zur Angesprochenen wird, zur rechtsverbindlichen Einwilligung bewegen (die geforderte Formel ez ist der wille mîn verweist ebenfalls auf lehnsrechtliche Kontexte; vgl. Touber, S. 4). Aufgerufen wird hier die traditionelle Vorstellung einer Minnesang-Transaktion, in welcher der Minnesänger für den ihm obliegenden schmückenden Preis ihre Minne als Lohn erwarten darf (reht in II,10 im Sinne von ›Das ist meine standesgemäße Aufgabe.‹). Während in dieser Strophe noch räumliche Distanz vorherrscht (das Herz muss den Zins als Bote liefern), imaginiert das Ich in Str. III eine Szene der Kopräsenz; dieser Distanzverlust wird bereits in II durch die direkte und vertrauliche Anrede der vrouwe (du) unterstützt. Die Belehnungsgesten, nun wieder in der 3. Person für Außenstehende (râtent) beschrieben, folgen realistischem Zeremoniell, sind dabei aber durchgehend erotisch doppelkodiert, einschliesslich der Formulierung wil si, ich tuon ir mannes reht, welche sich ebenso als ›Wenn sie es will, verhalte ich mich ihr gegenüber so, wie es einem Lehnsmann zukommt‹, wie als ›Ich mache mit ihr, was das Recht eines Mannes bzw. das Richtige für einen Mann ist‹, lesen lässt. Str. IV setzt den Rechtsdiskurs fort, indem das Ich nun erwägt, ein Urteil von der güete der vrouwe selbst zu erbitten oder sich auf Anraten anderer ihre Minne zu nehmen, wobei hier sowohl Konnotationen sexueller Gewalt als auch Rechtskonnotationen (minne als gütliche Einigung rechtlicher Konfliktparteien; vgl. BMZ II/1, S. 178, Nr. 2c.) mitschwingen. In Str. V schließlich wirbt das Ich um gerichtliche Verhandlungsführer (V,1) und ruft Frau Minne selbst als Schlichterin an. Strittig ist der Sinn von V. V,3, in dem nach II,10 und III,6 ein weiteres Mal die Mehrfachkodierungen von reht ausgenutzt werden: ›Ich bitte darum, dass Gnade vor Recht ergeht.‹ (Höver/Willms, S. 205); oder aber ›Ich habe Anspruch auf Erhörung.‹ (Jaehrling, S. 109). Möglich erscheint auch, das Verhältnis von Gnade und Recht hier als instrumentelle Ersetzung zu verstehen (für wie in II,6: Liebesfreude als Zins): ›Ich begehre Gnade als mein Recht.‹.

Markus Stock

Kommentar veröffentlicht am 01.10.2020; zuletzt geändert am 06.05.2024.
Gehört zur Anthologie: Minne- bzw. Werbelied
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Große Heidelberger Liederhandschrift, Codex Manesse (Heidelberg, UB, cpg 848), fol. 113r
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