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Der von Kürenberg, ›Vil lieber fru̍nt † , daz ist schedelich‹ (C 1 2) Lied vorDruckerTEI Icon

Kommentar

Überlieferung: in C und B₂. Unregelmäßig gesetzte Reimpunkte in beiden Handschriften und die Initialfarbe in C, die die beiden Strophen nicht als Ton vom restlichen Korpus abhebt (siehe den Kommentar zur Überlieferung), legen den Schluss nahe, dass die Schreiber sich über die formale Interpretation und eventuell die Zusammengehörigkeit der Strophen nicht im Klaren waren – was sich in den offenen Fragen der Forschung widerspiegelt.

Form: Paargereimte Langverstrophe mit Steg, über den beide Strophen im Kornreim (Assonanz: minnen : minne) miteinander verbunden sind. Wegen formaler Freiheiten und der vermutlich verderbten Überlieferung hat das folgende Schema hypothetischen Charakter:

.3-+3a (.)3-+.3a .3-K .3-+(.)3b .3-+.4b

II,1/2 hat an der Zäsurstelle assonierenden Reim (leides/scheiden). Der Abvers von II,4 hat entweder ausschließlich Hebungsprall (wól énstán) oder ist unterfüllt.

Der erste Vers beider Strophen ist in beiden Handschriften auffällig. In I,1 betrifft das den Anvers, in II,1 den Abvers. Entweder die Halbverse sind metrisch unterfüllt oder es gibt (wie in II,4) dreifachen Hebungsprall. Reim und Kadenz in II,2 (B₂: nicht, C: niet) machen es plausibel, in II,1 das Reimwort liep zu ergänzen. Der Unterschied zwischen nicht (B₂) und niet (C) ließe sich so auch als eine für C nicht unübliche vokalische Annäherung an das Reimwort liep erklären (Henkes-Zin, S. 146). Der Reim wäre keine Stütze für eine Konjektur im Anvers von I,1, weswegen sich die Forschung darüber, ob ein Eingriff überhaupt nötig ist und wie er auszusehen habe, weitaus weniger einig ist (siehe Apparat, Anmerkung zu I,1).

Inhalt: Bedrohte Liebe ist Thema in beiden Strophen. In Str. I wendet sich ein weibliches Ich an einen Boten, dem es aufträgt, den Partner zur Treue zu mahnen. Die ersten beiden Verse sind sentenzhaft. In Str. II richtet sich ein Ich direkt an den oder die Geliebte (II,1: min vil liebe) und beteuert, dass es im Fall einer Trennung seine Trauer zeigen würde.

Die Strophen sind über den Kornreim hinaus dadurch miteinander verbunden, dass die Anrede in II,1 (Wes manest du mich leides) auch mit der Wortwahl manen direkt auf I,5 (unde man in, was wir redeten) reagiert.

Vieles ist in Bezug auf das Verständnis der Strophen unsicher. So ist zum Beispiel unklar, wer in Str. II eigentlich spricht: ein weibliches Ich (so z. B. Kasten, S. 584f., Köhler, S. 73f.) oder ein männliches (einen Wechsel nehmen z. B. Boll, S. 156–161, Brunner, S. 197, Schweikle, S. 364f., an). Die Antwort auf diese Frage hängt auch damit zusammen, wie der letzte Halbvers (II,5) syntaktisch und inhaltlich interpretiert und ob oder wie hier in den Text eingegriffen wird. Wenn nach MF/MT z. B. der Sprecher alle anderen Frauen aufgibt (und alle ander verman), ist das eine Vereindeutigung der männlichen Sprecherrolle. Die vorliegende Interpunktion lässt die Entscheidung offen; Schweikle, S. 365, geht bei gleicher Interpunktion von einem männlichen Sprecher aus, der »sich nicht nur aus dem allgemeinen höfischen Krie (liute) zurückziehen würde, sondern auch von seinem gewohnten speziellen Umgang (alle andere man).« Nimmt man an, dass im C-Korpus Kürenbergs nicht nur tendenziell, sondern systematisch zuerst Frauen­stro­phen, dann Männer­stro­phen tradiert sind, würde dies eher für eine Frauenstrophe sprechen (Köhler, S. 73).

Simone Leidinger

Kommentar veröffentlicht am 02.10.2021; zuletzt geändert am 06.03.2024.
Gehört zu den Anthologien:
 C Kürn 1 = MF 7,1Zitieren
Digitalisat
Große Heidelberger Liederhandschrift, Codex Manesse (Heidelberg, UB, cpg 848), fol. 63va
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 I
 
 C Kürn 2 = MF 7,10Zitieren
Digitalisat
Große Heidelberger Liederhandschrift, Codex Manesse (Heidelberg, UB, cpg 848), fol. 63va
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