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›Sage, als ich dirs iemer lone‹
B Namenl/91 70
IB Namenl/91 70 = CB 147a; MF 177,10
Überlieferung: Stuttgart, LB, HB XIII 1, pag. 100
B Namenl/91 71
IIB Namenl/91 71 = MF 177,16
Überlieferung: Stuttgart, LB, HB XIII 1, pag. 100
B Namenl/91 72
IIIB Namenl/91 72 = MF 177,22
Überlieferung: Stuttgart, LB, HB XIII 1, pag. 100
B Namenl/91 73
IVB Namenl/91 73 = MF 177,28
Überlieferung: Stuttgart, LB, HB XIII 1, pag. 101
B Namenl/91 74
VB Namenl/91 74 = MF 177,34
Überlieferung: Stuttgart, LB, HB XIII 1, pag. 101

Kommentar

Überlieferung: Das fünf­stro­phige Lied ist im Reinmar-Korpus in C überliefert sowie in B als Teil des ursprünglich namenlosen Abschnitts der Reinmar-Sammlung (s. Korpuskommentar zu B). Die erste Strophe findet sich zudem, mit Neumen versehen, in M als letzte Strophe eines lateinischen Minneliedes.

Form: 4-a 5b / 4-a 5b // 4c .6c

Es liegen sechsversige Stollen­stro­phen vor. Auftakt in II,4; III,3. Überfüllt ist B V, 2.

Die Strophen sind formal eng mitenander verbunden: Die die Botenrede einleitende Anrede der Dame wiederholt sich in I,5; II,5; III,4. III und IV sind zudem einerseits durch einen ähnlichen Einstieg in V. 1, andererseits durch das den letzten Vers einleitende owe miteinander verbunden.

Inhalt: Frauenlied mit Boteneinschüben (Dialoglied).

Die ersten drei Strophen, in denen die Dame und der Bote abwechselnd zu Wort kommen, schließen an die Tradition des Botenliedes an. Doch dominiert die Frauenrede von Beginn an, bevor der Bote mit III,5 schließlich ganz verstummt. Behr, S. 348, spricht dem Boten, mit Bezug auf Jackson, S. 260, eine »katalysatorische Funktion« zu, wodurch es der Frau möglich werde, ihre Minnebeziehung zu einem Mann zu reflektieren. Der Bote, der traditionell als Alter Ego des Minnepartners erscheinen kann, wird hier zum Gegenüber der Dame: »Im Dialog mit ihr wird ein Nahraum der Kommunikation entworfen, in dem sie ihre Zweifel und Sehnsüchte wie mit einem Alter Ego bearbeiten kann« (Kellner, S. 151). Ashcroft, S. 61, versteht das Lied als Beispiel für einen ›dilemmatischen Frauenmonolog‹.

Die erste Strophe zeigt die Dame als Minneherrin, die Macht über den Mann ausüben kann. Doch sind es nicht das Leid und die Klage, die den Minnenden beherrschen. Stattdessen bestätigt der Bote die Nachricht über die Freude des Mannes.

Diese Freude will sie ihm auch nicht versagen (sie gebietet sie dem Mann aber auch nicht), solange er eine bestimmte Bitte nicht äußert. Daraufhin fordert der Bote die Dame auf, sich selbst nicht zu verreden[] (II,5) (vgl. Str. II).

Das Ausmaß ihrer Macht erfragt die Dame weiter in der dritten Strophe: Singt der Minnende nur auf ihre Bitte hin? Mit dieser Frage wird »das Lied eindeutig mit dem Sängerlied [C Reinm 49–55 et al.] zu einer Art ›Wechsel‹ verbunden«, so Obermaier, S. 69 (Hausmann, S. 208, spricht allgemein von einer gemeinsamen ›Geschichte‹ der beiden Lieder). Der Bote bejaht und verstummt; die Dame erkennt ihre Handlungsohnmacht und ihr Dilemma: Würde sie ihn zum Singen auffordern, das mag ze schaden komen (B III,6), denn Minnende wollen immer mehr (vgl. V,1f.); würde sie ihn jedoch nicht singen lassen, verlöre sie ihre selde (IV,2) und nähme der ganzen Welt die Freude (vgl. Str. IV). Nur durch unstete (V,4) könnte sie sich von ihm und ihn von ihr lösen, aber das ist sie nicht. So will sie eigentlich nicht mitspielen (ich enwil niht minnen, B V,3), muss ihn aber weiter (unerhört) dienen lassen (vgl. Str. V).

Kasten beurteilt das Lied in Verbindung mit Reinmars Männerliedern: »Die Frau, die hier spricht, ist die ›Dame‹, die der Dichter in seinen Liedern besingt« (S. 250). Der an eine männliche Perspektive gebundene Frauendienst und der Frauensang werden zusammengeführt; die Wirkung der Dichtkunst auf die Frau und die Gesellschaft werden reflektiert und der Bote wird zum Mittler zwischen Manneslied und Frauenlied (vgl. auch Hausmann, S. 208). So konstatiert Hausmann, S. 175: »Das Botenlied zeigt, dass im Hintergrund der Klagelieder des Hohen Minnesangs nicht etwa gar keine und auch nicht eine abweisende Dame stehen muss [...]. Sie muss allerdings [...] den Mann immer zurückweisen bzw. selbst in lähmender Reaktionslosigkeit verharren«. Damit wird gleichzeitig die »Wirkmacht der Rede des Sängers betont« (Kellner, S. 156): »Poetologisch erweist sich die Gattung als Option, um das unliebsame und verpönte rüemen zu vermeiden und das Selbstlob der Dame in den Mund zu legen« (ebd.).

Sandra Hofert

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