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Überlieferung: Das Lied ist unikal in Handschrift C überliefert.
Form: Gleichmäßig vierhebige Stollenstrophe mit längerem Schlussvers. (.)4-a 4-b 4c / 4-a 4-b 4c // 4d 4-e 4-e 5d. III,10 ist mit vier Hebungen unterfüllt. Nicht ganz auszuschließen ist, dass eine Hebung hier gezielt ausgelassen wurde, um die Versaussage (der muot ist so veraffet, dass er nichts anderes tun kann, als sie anzustarren) durch eine effektive Taktpause zu unterstützen.
Inhalt: Introspektive Minneklage. Der Kritik der Umwelt an seinem nicht mannesgemäßen Verhalten (I) begegnet das minneaffizierte Subjekt mit einer allegorisch-metaphorischen Erläuterung, die seine innere Gefühlswelt anschaulich macht. Str. II und III entwerfen eine Szenerie, in der das Ich ohne Aussicht auf Erfolg das eigene, von der Dame eroberte Herz belagern muss. Außergewöhnlich ist hier die belagerungstechnische Fachsprache (II,8). Dieser Allegorie der selbstentfremdenden Kraft der Minne wird das Rasten am Feuer ihrer Gedanken und Weilen in ihrer Herzenskammer als ein Wunschbild entgegengestellt (IV), das aber unerfüllte Phantasie bleibt. Sprachlich schwierig und in der Deutung umstritten ist die letzte Strophe, die zunächst einen hyperbolischen Katalog adlig-männlicher Fähigkeiten bietet, der in seiner Überzogenheit entfernt an das Lügenlied C Berng 8–11 erinnert. Neben eher erwartbaren Ritter- und Jagdkünsten (V,3 und 5) wird für das Ich auch beansprucht, dass es fliegen und die Sterne berühren kann (V,2 und 4). Unklar ist, welche außergewöhnlichen Taten in V,1 ›an der Schnur‹ vollbracht werden: wohl kaum ist vom Seiltanzen die Rede (so aber von Kraus, S. 51, und Jaehrling, S. 102), auch Saiten- und Marionettenspiel (snuor als Saite oder Marionettenfaden als Option erwogen bei Wachinger, S. 689, und Klein, S. 414) erscheinen unwahrscheinlich. Hübner, S. 308 Anm. 41, verbindet die Wendung mit der Helmschnur als einem empfohlenen Ziel des Lanzenstoßes in kunstgerechter Tjost, dem Reiterduell mit Lanzen. Wachinger, S. 103 u. 689, versteht ›an der Schnur‹ als Reihenbegriff: ›Ich kann reihenweise staunenswerte Künste‹. Da in der Strophe auch von Jagdkünsten die Rede ist und das Korpus insgesamt viele Falknereimotive aufweist, kann man vielleicht auch an die Schnur denken, die bei der Abrichtung von Falken benutzt wird (vgl. Dalby, S. 206f. s. v. snuor): ›Ich vollbringe Wunder als Falkner‹, was aber ebenso spekulativ ist wie die anderen Lösungsversuche.
Es hängt von der Deutung von V,7 ab, ob die aufgezählten Fähigkeiten als bloß in der Vorstellung existierend zu verstehen sind (als Produkt eines wilden Denkens, V,7: gedenken Nom. Sg. oder Pl., wilde Adj. oder Adv.) oder ob diese Fähigkeiten selbst wilde Gedanken erst auslösen und befördern (gedenken Akk. Pl.; so Hübner, S. 67: ›Das alles gibt mir ungezähmte Gedanken ein‹). Möglich ist beides. Zur Diskussion der grammatisch-syntaktischen Konstruktion vgl. Stock, S. 164, Wachinger, S. 689, und Klein, S. 415; zum Bedeutungshof von wilde vgl. Stock, S. 344.
Das Lied endet mit einer Wiederaufnahme des Ruhebildes aus Str. IV: der muot will, vom Fliegen (und den hyperbolisch aufgezählten Aktivitäten?) ermüdet, bei der Dame ruhen (V,9f.), was vielleicht ein Augustinus-Echo sein mag: inquietum est cor nostrum donec requiescat in te (›ruhelos ist unser Herz, bis es ruht in dir‹; Augustinus, Confessiones I,1; vgl. Kuhn, S. 20).
Im Burkhard-Korpus ist dieses Lied zusammen mit C Burk 37–41 das extremste Beispiel einer metaphorisch-allegorischen Semiotisierung innerer psychologisch-kognitiver Vorgänge. Das Lied zieht sinnliche Analoga aus der adligen Lebenswelt heran, um nicht wahrnehmbare psychologische Prozesse des männlichen Vorstellungs- und Gefühlserlebens anschaulich zu machen.
Markus Stock