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Überlieferung: Die beiden Nachrufstrophen auf Reinmar sind gemeinsam lediglich in den namenlosen Anhängen von A überliefert, die zweite der beiden Strophen findet sich außerdem in C. Dass A II wohl auf einer anderen Vorlage beruht als A I, ist daraus ersichtlich, dass in Strophe I das schwachtonige e in unbetonten Silben in der Regel als i wiedergegeben ist, in Strophe II jedoch nicht (vgl. Kasten, S. 988).
Form: .4a .4a .5-b / .4c .4c .5-b // .5-d .5-d .7e .5-f .5-f .7e .7e (Walther von der Vogelweide, Erster Thüringerton), siehe Tonkommentar. A Namenl 22 weist zahlreiche Unregelmäßigkeiten (wie etwa den unterfüllten und reimlosen Vers 9) auf (vgl. die Eingriffe in den verschiedenen bisherigen Editionen).
Inhalt: Der Nachruf auf Reinmar ist neben der Engelbrechtsklage Walthers einzige Totenklage und überhaupt die erste deutschsprachige Totenklage für einen Dichterkollegen. Sie beginnt mit der inneren und äußeren Preiswürdigkeit des Toten, wobei wisheit und tugint, schone und jugint eine kunstvoll chiastisch verschränkte Einheit bilden. Hervorgehoben wird besonders Reinmars Eigenschaft, ie den vrowin wole zu sprechen (A I,9); dabei zitiert das Sänger-Ich direkt die Reinmar-Strophe C Reinm 58.
Auch in der zweiten, darüber hinaus in C überlieferten Nachrufstrophe wird Reinmar selbst mehrfach ›zitiert‹, indem das Sänger-Ich typische reinmarsche Wendungen aufgreift. So erinnert etwa Vers 7 an C Reinm 138 oder Vers 8 an C Reinm 58. Insgesamt wirkt die Strophe persönlicher: Wieder beklagt das Sänger-Ich, dass durch den Tod Reinmars dessen Kunst verloren gegangen sei, doch wird hier etwas bissig zwischen dem Menschen und dem Künstler Reinmar unterschieden: dich selben wil ich luzel clagen; / ich clage din edel kunst (A II,5f.). Überhaupt ist der Ton gegenüber dem Dichterkollegen durchaus kritisch, so dass Wapnewski von einem regelrechten ›Brutus-Lob‹ spricht (S. 224). Insofern ließe sich dieser Nachruf als Dokument für das in der Forschung immer wieder neu diskutierte Konkurrenzverhältnis von Walther und Reinmar ansehen.
Björn Reich