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Walther von der Vogelweide, ›Min frowe ist underwilent hie‹
C Wa 152 (148 [154])
IC Wa 152 (148 [154]) = L 44,11
Überlieferung: Heidelberg, UB, cpg 848, fol. 131rb
C Wa 153 (149 [155])
IIC Wa 153 (149 [155]) = L 44,23
Überlieferung: Heidelberg, UB, cpg 848, fol. 131va

Kommentar

Überlieferung: Unter Walther überliefern E ein vier­stro­phiges und BC ein zwei­stro­phiges Lied, während O1 namenlos ein drei­stro­phiges Lied überliefert. Es liegt nahe, dass das Fragment O1 ehemals auch die Str. E I enthielt, die am Beginn gestanden haben könnte (vgl. dazu von Kraus, S. 89 und Kornrumpf, S. 96). Beschreibt man die Strophenfolge der einzelnen Hss. aus Perspektive der Anordnung in E, sind E IV I in BC zu dem zwei­stro­phigen Lied geordnet, also die dort letzte und erste Strophe in umgekehrter Reihung kombiniert, und O1 bietet die Strophen in der Folge III II IV. Die Strophen sind in BC nicht nur identisch angeordnet, sondern auch annähernd wortgleich und gehen auf eine gemeinsame Vorlage *BC zurück (zu *BC vgl. Wilmanns, S. 20–27). E und O1 weichen signifikant ab und gehen trotz gewisser Differenzen wohl auf eine gemeinsame Vorlage *EO zurück (vgl. dazu und zur Stellung von O1 in der Walther-Überlieferung von Kraus; die Textkonstitution von Wa/Co folgt dem und bietet den Text der Reihenfolge von O1 entsprechend mit E I als vorausgestellter erster Strophe).

Form: 4a 5b / 4a 5b // 4-c 4d 5d 5-c / 5e 5-x 4x 4e

Kanzonenstrophe mit freiem Auftakt. Dem stolligen Aufgesang folgt ein zweiteiliger Abgesang, der im umarmenden Reim erst den d-Reim einschließt, dann zwei Reimwaisen. Das metrische Schema kann nur eine idealisierte Näherungslösung bieten, von dem die Überlieferung an zahlreichen Stellen abweicht; am nächsten kommt dem Schema noch B II (setzt man beschwerte Hebung in V. 4.8.10 an: ír; únstète; ówè). Die Verse schwanken ansonsten zwischen vier und fünf Hebungen (in Verbindung mit abweichender Kadenzierung) und sind zuweilen auf bis zu sechs Hebungen erweitert; wenige Verse sind unterfüllt (z. B. E II,8).

Inhalt: Spruchlied. Nur eine der Strophen, die in EO1 am Liedende steht und in BC das zwei­stro­phige Lied eröffnet, spricht von Minne und zeichnet den Sprecher getrennt von, aber in Gedanken vereint mit einer Dame. Sonst inszeniert er sich in kritischer Haltung zur Gesellschaft, in die er selbst eingebunden ist, ohne von ihr zu profitieren: E I ist eine Warnung vor den lugenere[n] (V. 2), die verführen und zugrunde richten, die auf deren Rat hören. In E II enthüllt der Sprecher die Aversionen von Anhängern der unminne (V. 9) gegen ihn als Resultat seines Sprechens über und Benennens ebendieser unminne (eine Referenz auf E Wa 124 et al. V. 8), und in E III zeigt er sich, bevor das Lied mit der Minnestrophe E IV schließt, als einer, der nur anderen, nicht aber sich selbst raten kann und sich deshalb in Zukunft dem Gespräch mit den lose[n] (V. 11) verweigern will.

In O1 sind die Strophen so gereiht, dass O1 II geradezu als Begründung für I fungiert (anders Kuhn, S. 41–43, der die Reihung sowohl in E als auch O1 als »dem Gedankengang widerspr[e]ch[end]« beschreibt): Der Sprecher kann sich mit dem eigenen Sang nicht helfen – [denn] noch immer muss er Feindseligkeiten erleiden, weil er die falsche Minne als unmynne (II,9) bezeichnet hat. Die vrouwen (II,12), die sich an ihn erinnern sollen, werden zum Bindeglied zur Minnestrophe III, worin der Sprecher seiner vrouwe (III,1) stete Liebe versichert. Das zwei­stro­phige Lied nach BC verbindet die Minnestrophe mit der Warnung vor den Lügnern.

Sarah Hutterer

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