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Dietmar von Aist, ›Was ist fu̍r das truren guͦt, das wip nach lieben manne hat‹
B Dietm 1
IB Dietm 1 = CB 113a; MF 32,1
Überlieferung: Stuttgart, LB, HB XIII 1, pag. 29
B Dietm 2
IIB Dietm 2 = MF 32,5
Überlieferung: Stuttgart, LB, HB XIII 1, pag. 29
B Dietm 3
IIIB Dietm 3 = MF 32,9
Überlieferung: Stuttgart, LB, HB XIII 1, pag. 29

Kommentar

Überlieferung: In B und C eröffnet das drei­stro­phige Lied jeweils das Dietmar-Korpus. Die erste Strophe hat zusätzlich in die Handschrift M (Codex Buranus) Aufnahme gefunden, als Abschluss des Lieds ›Transiit nix et glacies‹.

Form: .4(-)+(.)4a (.)4-+4a 4(-)b (.)4(-)b (.)2-c (.)6-c

Die Strophenform kombiniert verschiedenhebige Verse bzw. Versteile. Während die Versgrenze der ersten beiden Langverse jeder Strophe mit der Satzgrenze zusammenfällt, variiert die Satzaufteilung der restlichen Verse. Der Paarreim ist das übergeordnete Gliederungsprinzip, nach dem sich auch der Versumbruch der vorliegenden Edition richtet (vgl. Schweikle, S. 395).

In B/M und C zeigen sich zwei im Detail verschiedene Strophenformen. Die ältere Forschung (vgl. MF/KU, S. 75, Anm. 3) gewichtet die B-Überlieferung stark. Sie setzt pro Strophe vier Langverse an; dann enthält der dritte Langvers einen Binnenreim. Scherer, S. 44, hat an B bemerkt, dass die Binnenreime (hier: V. 3 und 4) unrein sind, die Endreime (hier: V. 1,2, 5 und 6) hingegen rein oder umgekehrt. Außerdem zeigen in B die Langverse die Tendenz, »daß nach männlicher Zäsur ein Auftakt folgt, nach weiblicher dagegen keiner« (von Kraus, S. 75). Die Verse wirken dadurch »gefugt« (vgl. Heusler, § 657), die Tendenz wurde als »Gesetz« (von Kraus, S. 75) interpretiert und hat als solches die Textherstellung in den Editionen beeinflusst. In C erscheint dagegen als das wichtigste Gestaltungsprinzip der reine Reim. Die Kadenz ist hier in allen Strophen einheitlich gestaltet: einsilbig männlich in V. 1f., weiblich bzw. klingend in V. 3–6.

Richten sich die Reimpunkte in C nach dem Reim, markieren sie in B Kurzverse: sie zeichnen hier pro Strophe acht Abschnitte aus, nämlich V. 3–6 sowie An- und Abvers von V. 1 und 2. Gleiches gilt für den Reim der lateinischen Strophen in M.

Der Wortlaut des in B überlieferten Lieds weicht teilweise von demjenigen in C ab, was hauptsächlich auf die verschiedenen Reimwörter zurückzugehen scheint (zum C-Schreiber, der in mehreren C-Korpora reine Reime hergestellt hat, vgl. Henkes-Zin, S. 181). So sind zum Beispiel in der dritten Strophe in B zwei der drei Reime Assonanzen, während C ausschließlich reine Reime aufweist.

Inhalt: Der Liedzusammenhang der drei Strophen weist einige bei Dietmar häufiger begegnende Details auf (vgl. Ittenbach, S. 153–155): I und II sind eng miteinander verbunden durch einen parallelen Aufbau, der sowohl Wortresponsionen auffallen lässt (herze ... betwungenherze unerlost) als auch die Korrespondenz ganzer Verse nahelegt: So können I,1 und II,1 als Frage und Antwort aufeinander bezogen werden; I,6 und II,6 kennzeichnet »ein scheinbarer Gegensatz im Wortlaut, der aber einen gleichen Gedanken ausspricht« (Ittenbach, S. 153).

Auch sind sich I und II darin ähnlich, dass die Stimmen von Frau bzw. Liebespaar durch erzählende Einschübe bezeichnet werden, wobei I weitestgehend die weibliche Stimme wiedergibt (I,3 bestimmt lediglich die Sprecherin), während II den Liebesdialog zusätzlich szenisch unterfüttert (II,4). Die abschließenden beiden Verse in II werfen endgültig die Frage auf, wer hier spricht (vgl. Ittenbach, S. 154f.) – eine Möglichkeit ist, sie als Übergang zu verstehen zu Str. III, mit der ein Ich ungebrochen monologisch den eigenen Liebesschmerz ausdrückt.

In C korrespondieren II und III durch Anklänge an das Tagelied. Nicht nur verstärkt C gegenüber B den Eindruck einer Tageliedsituation in II durch das drängende gahen in C II,4 beim Abschied des Liebespaares (B II,4: scheiden). Auch in der dritten Strophe evoziert das bî wesen (C III,2) eher eine konkrete Situation, wie sie auch im Tagelied gegeben wäre, das liep sîn (B III,2) erinnert hingegen eher an den Zustand des Ich im Ich-Lied der Hohen Minne.

Die Zugehörigkeit der dritten Strophe zum Lied wurde in der Forschung immer wieder bezweifelt (vgl. Ittenbach, S. 153). Nicht selten entspringt dieser Zweifel einem sehr spezifischen Verständnis von Liedzusammenhang (vgl. Scherer, S. 46f.; dagegen z. B. Scholz, S. 77f.; Ipsen, S. 353: »strophenkreis in weiterem sinne«).

Simone Leidinger

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