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Der von Gliers, ›Ich klage mich vil leide‹ (C 1) Lied vorDruckerTEI Icon

Überlieferung

C Glie 1

Kommentar

Überlieferung: unikal in C.

Form: Siehe das Leichschema.

Der Leich setzt sich aus überwiegend kurzen, meist zwei- bis vierhebigen, selten auch fünf- oder sechshebigen Versen zusammen, die Metren sind häufig alternierend, nur wenige Verse erscheinen unter- oder überfüllt (eventuell V. 81, 159; 71). Ob in V. 156 die erste Vershälfte fehlt oder ob hier der Versikeltyp variiert wird, kann kaum entschieden werden. Auffällig ist einmaliger unreiner (dialektspezifischer?) Reim öu/œ in V. 7/9.

Die Verse treten zu Versikeln sehr unterschiedlicher Länge – zwischen drei und 20 Versen – zusammen, charakteristisch ist die Tendenz zu langen Versikeln in der zweiten Texthälfte. Fast alle Versikel werden einmal wiederholt (Doppelversikel; zum Sonderfall H siehe unten), nur je einmal begegnet ein Tripel- sowie – am Ende des Leichs (ein typisches Schlusssignal) – ein vereinzelter Versikel. Die Versikeltypen werden häufig in der Wiederholung formal leicht variiert (oft durch die Auftaktgestaltung, einmal, bei Typ B, durch Kadenzwechsel), ohne dass sicher zu sagen ist, ob diese Variationen kalkuliertes Spiel oder doch schlicht Lizenzen der formalen Gestaltung wären. Um sie nicht zu kaschieren, sind sie im Leichschema präzise notiert.

Die Makrostruktur des Leichs ist geprägt von einer schlichten Sequenz verschiedener Versikeltypen (Sequenz-Typ nach Kuhn, S. 136). Weiter ausgreifende Wiederholungsstrukturen kennt das Gedicht nicht. Ausnahme ist Versikeltyp H, der – unterbrochen von der Versikelgruppe II – zweimal und noch dazu in doppelter Wiederholung Einsatz findet. Der Leich wird dadurch in zwei exakt gleich große Hälften geteilt.

Inhalt: Minneleich.

Entfaltet werden die üblichen Gedankenorte der Hohen Minne, die nur lose verbunden werden. Die inhaltlich-thematischen Abschnitte fallen dabei ganz überwiegend mit den Versikelgruppen zusammen, wenn auch die inhaltlich-thematischen Zäsuren von Fall zu Fall unterschiedlich tief geschnitten sind.

Ausgangspunkt ist sendez leit, das das Ich – gleich der vom Winter zerstörten Natur – erfährt (A-Gruppe, V. 1–12): Es hat der Minne hulde verloren (B, V. 13–22). Ursächlich dafür ist ein wîp, das ihn verschmäht (C, V. 23–46) und das alleine helfen könnte (D, V. 47–54). Neider reizen das Ich zur Schelte (E, V. 55–64), doch lässt es sich nicht von seinem Dienst abbringen (F, V. 65–72). Unsägliche Klage (G, V. 73–84).

Die auch formal herausstechenden H-Abschnitte (V. 85–96, 103–114) sowie der von ihnen umschlossene I-Teil (V. 97–102) formulieren – wie gesagt: exakt zur Mitte des Gedichts – den ideellen Kern der Hohen Minne: Widersprüchlichkeit des Dienstes, Sorge und Hoffnung; Nobilitierung durch Frustration; unmittelbare Konsequenzen daraus: Singen, wieder Hoffnung, Läuterung.

Weist die erste Leichhälfte einen zumindest vagen argumentativen Gang auf, der die einzelnen Propositionen in relativ rascher Folge setzt, kennt die zweite Hälfte lediglich vier große Themenblöcke um Zentralkonzepte der Hohen Minne: stæte (J, V. 115–122), klage und leit (K, V. 123–162), absolute Geltung der Minne im Vergleich zur weltlichen und geistlichen Macht (L, V. 163–186), beharrliche Hoffnung im Modus des ›Trotzdem‹ (M, 187–198).

Es nimmt in Anbetracht dieser abstrakten Gedankenführung nicht wunder, dass der Text sich größtenteils in topischen Formulierungen ergeht und kaum je sich aufschwingt zu prägnanter Bildlichkeit. Der Natureingang ist konventionell, wenig spektakulär der Vergleich des ewigen Klagens mit dem Schwanengesang, und auch die Caesar-Allusion wird man kaum originell nennen wollen. Gelegentlich eingestreut sind generalisierende Notizen, die die individuelle Situation des Ichs übertragbar auf andere machen. Sie evozieren und konsolidieren – in Verbindung mit den argumentativen Gemeinplätzen sowie der blutleeren Rhetorik des Leichs – den Eindruck einer idealtypischen Minnelehre.

Florian Kragl

Kommentar veröffentlicht am 06.11.2023.
Gehört zur Anthologie: Leich
 C Glie 1 = SMS 8 1Zitieren
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