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Überlieferung: Die Sangspruchstrophe ist unikal im anonymen Freidank-Anhang in H überliefert. Sie bildet eine Toneinheit mit der vorangehenden Strophe.
Form: .4a 4b .3-c / .4a .4b .3-c // 4+.3-d .6+.3-d .4+.3-e 6+.3-e
Es liegt eine zehnversige Stollenstrophe mit zäsurierten Versen im Abgesang vor. V. 8 ist unterfüllt.
Inhalt: Gegen den Hochmut.
Noch nie hat der Sprecher einen vollkommenen Menschen gesehen. Diese (Nicht-)Augenzeugenschaft wird mit einer Ohrenzeugenschaft parallelisiert: Er hat vernommen, dass dem Kuckuck ein schwacher Zweig genügen würde, doch strebt jener nach dem Nest eines Greifen. Im mhd. gouch fallen bereits semantisch ›Kuckuck‹ und ›Narr‹ zusammen (vgl. Le I, Sp. 1057) und so wird der Vogel, der vermutlich wegen seines eintönigen Rufs als töricht gilt, hier dem großen und im Kontext christlicher Tierallegorese positiv besetzten (und u. a. mit Demut verbundenen, vgl. Schmidtke, S. 298) Greifen gegenübergestellt und dient zur Veranschaulichung des menschlichen Hochmuts.
Auf die Tierbildichkeit folgt florale Metaphorik, wenn der Hochmut als ›Wurzel‹ der Hölle bezeichnet und damit den anderen Sünden hierarchisch übergeordnet wird. Wer bis zu seinem Ende dieser Sünde schuldig ist, der wird noch vor dem Ablauf von 30 Jahren des ›Lohnes‹ dafür überdrüssig. Hier wird das Menschenbild der ersten Verse aufgegriffen: Der Sprecher appelliert nicht an das Ideal eines fehlerfreien Lebens vollkommener Tugendhaftigkeit, sondern scheint die Möglichkeit der Befreiung aus der Sünde (etwa durch Beichte und Buße) mitzudenken. Die Angabe von 30 Jahren könnte auf den geringen Abstand zwischen Individualgericht und Jüngstem Gericht anspielen, in welchem der Sünder letztendlich unumkehrbar in die Hölle verbannt wird (zur Prophezeiung des Zeitendes in 30 Jahren vgl. Lerner, S. 306).
Auch die höfische Kategorie der Ehre hat ohne Gott keinen Bestand, so heißt es weiter. Wenn ein Tor nach seinem eigenen Willen leben könnte, würde er so einiges tun. In jenem Tor scheint jeder Mensch mitgemeint zu sein: Der Schutz vor sich selbst legitimiert ein höheres Regelwerk.
Carl von Kraus (KLD II, S. 334) sieht Parallelen zu Freidank 120,17f., 28,15, 1,17f.
Sandra Hofert