Autor
Die historische Identität des Dichters ist unsicher. Schon der überlieferte Name lässt offen, ob es sich um einen Familiennamen oder die Ableitung einer Orts- oder Herrschaftsbezeichnung handelt (»Der Taler = Der von Tal?«, Bumke, S. 44). Die Bedeutung von Taler als ›Münze‹ kam erst im 16. Jh. als Ableitung aus dem ›Joachimsthaler Guldengroschen‹ auf (vgl. Pfeifer). Angenommen wird eine Datierung des Dichters in die zweite Hälfte des 13. Jh. sowie eine Schweizer oder schwäbische Herkunft. Eine Möglichkeit wäre die Identifikation des Dichters mit Leutold von Tal, Ministeriale des Klosters St. Gallen, bezeugt zwischen 1255 und 1265. Weitere Namensträger erwägen etwa Händl, Sp. 591, sowie Zapf, Sp. 381.
Überlieferung und Werk
Der Codex Manesse überliefert unter Der Taler (rubrizierte Bildüberschrift auf fol. 303r) einen Leich, ein fünfstrophiges und zwei dreistrophige Lieder. Geschrieben auf der XXVIII. Lage, ist das Korpus Teil des Grundstock-Segments C (vgl. Henkes-Zin, S. 35f.). Das fünfstrophige Lied findet sich erneut, mit veränderter Strophenreihenfolge, im Korpus Ulrichs von Winterstetten.
Die Miniatur zeigt einen Rechtsakt, vielleicht eine Belehnung (vgl. Walther, S. 204): Der auf der linken Bildseite thronende König überreicht dem vor ihm knienden Mann im roten Gewand (dem Dichter?) ein Schriftstück, an welchem ein Siegel hängt. Dieses Siegel zeigt den einköpfigen schwarzen Reichsadler auf goldenem Grund. Ein dritter Mann am rechten Bildrand, vielleicht ein Zeuge des Geschehens, trägt das gleiche Siegel an seinem Gürtel. Das Wappen zeigt einen blauen Berg (oder »ein stilisiertes Gewässer« [Schiendorfer, Kap. Taler]?) mit fünf Rohrkolben auf silbernem Grund. Die gleichen Rohrkolben finden sich links daneben auf einem blauen Hut über einem Goldhelm. Eine Zuordnung des Wappens ist nicht möglich; es entspricht nicht dem in der Zürcher Wappenrolle unter TAL überlieferten Wappen (vgl. fol. 2v, obere Reihe, mittig). Eine historische Deutung der Szene muss höchst spekulativ bleiben (Händl, Sp. 590, und Zapf, Sp. 382, etwa überlegen, ob in dem König Heinrich VII. oder Konrad IV. gesehen werden könnten).
Inhaltlich recht konventionell ist jene Kanzone, die sowohl unter dem Taler als auch unter Ulrich von Winterstetten überliefert ist (C Taler 2–6 et al.): Der Sommereingang steht im Kontrast zum Minneleid des Ichs; im Refrain preist der Sprecher seine Geliebte, die die Motivation seines Sanges ist. Traditionelle Minnesang- und Naturmotivik finden sich auch in dem Leich sowie in den beiden anderen Kanzonen, sind hier allerdings verbunden mit originellen Wendungen und Pointen: Im (eventuell unvollständigen) Leich C Taler 1 wechselt der Modus nach dem Durchspielen traditioneller Frühlingsfreude, Minneklage und Frauenpreis in eine Form des genre objectif, indem der Sprecher von einer (imaginierten?) Begegnung mit seiner Geliebten erzählt. In dem isometrisch vierhebigen, parodistischen Lied C Taler 7 8 9 folgt auf einen topischen Jahreszeiteneingang die Klage über die übertriebenen Forderungen der Minnedame (allerdings nicht als Adynata formuliert wie in C Tannh 10 11 12); in der zweiten Strophe spielt der Sprecher auf die Lieder des Nifer (II,7) (Gottfried von Neifen) und anderer Sänger an, deren Damen prunkvolle Kleider tragen, wohingegen seine bäuerliche Geliebte in Fetzen gehen muss. Die letzte Kanzone schließlich (C Taler 10 11 12) ist eine dialogische Parodie eines Botenliedes, in der der Sprecher, auch über sexuell konnotierten Anspielungen, versucht, jemanden dazu zu überreden, seiner (bäuerlichen?) Geliebten (im Kornfeld?) ein Minnelied zu überbringen. Der häufige Verweis auf den Mund der Geliebten (vgl. C Taler 1, 5, 8, 9) könnte ein weiterführendes Indiz für die Auseinandersetzung des Talers mit Gottfried von Neifen sein, in dessen Dichtung der rote Mund zentrales Attribut ist.
Sandra Hofert