Überlieferung: parallel in BC. Abweichungen zwischen den Überlieferungszeugen sind spärlich, in den meisten Fällen dürfte es sich (aufgrund formaler Irritationen) um Fehler (und zwar in B) handeln.
Form: Es liegt eine aparte Periodenstrophe vor, die immer wieder formale Erwartungen aufbaut und dann irritiert: Die Verse sind durchgehend (je nachdem, ob man Daktylen annimmt) vier- bzw. fünfhebig, doch wird dieses simple isometrische Schema durch Binnenreime in V. 6 und 8 angereichert. Diese Binnenreime verbinden V. 6 und 8, doch wechselt die Position im fünfhebigen Vers. Die Ordnung des umarmenden Reims in der ersten Versperiode (V. 1–4) wird aufgegriffen und variiert in V. 5–8 durch die Endreime cabc, was wiederum verschoben wird zu einem ›defekten‹ Kreuzreim in V. 6–9: abcb, sodass sich nach einer klar abgegrenzten ersten Versperiode zwei weitere Perioden überlagern; der für Periodenstrophen nicht untypische blockhafte Wechsel vom umarmenden zum Kreuzreim wird als Prozess erfahrbar.
Im seltsamen Kontrast zu dieser spielerischen Handhabe von Metrum und Reim steht die starke Unregelmäßigkeit der Versfüllung. Die Abfolge von Hebungen und Senkungen wirkt vielfach erratisch, auch die Annahme von Auftakten ist stark interpretationsbedingt. Unter Annahme von Zweitaktern ergäbe sich dieses metrische Schema, wobei die meisten (alle?) Verse Auftakt hätten:
5-a 5b 5b 5-a / 5c 3d+2-a 5b 2d+3c 5b
Den natürlichen Wortbetonungen kommt eine daktylische Deutung näher, was die Verse durchgängig zu vierhebigen (bei freier Auftaktgestaltung) machte; für Str. I:
4-a 4b 4b 4-a / 4c 3d+1-a 4b 2d+2c 4b
Auch dann aber bleiben nicht wenige metrische Reibungen (Tonbeugungen) und Unsicherheiten, und die metrische Position der Binnenreime in Str. II wird vollends unsicher (Senkungsreime?). Auch Mischformen (daktylische neben zweitaktigen Versen) sind denkbar; das Lied entzieht sich einer sicheren metrischen Analyse.
Selbst bei Annahme großer metrischer Lizenzen bleibt II,8 wohl überfüllt (evtl.: … lâzen mirʼz mîn? vgl. auch den Apparat zur Stelle). Die defekten Endreime in B I,5 sowie B II,8 sind leicht zu korrigieren, der Binnenreim in B II,8 ist wahrscheinlich verderbt, wenn man den Wechsel des Reimklangs (c statt d, außerdem unrein: i statt î) im Strophenvergleich nicht als charakteristische Flexibilität der Binnenreimgestaltung auffassen möchte.
Inhalt: Minneklage aus topischen Versatzstücken. Charakteristisch ist, wie diese in rasanter Folge aneinandergereiht sind. In Str. I wird aus Leid Verdruss, der wiederum von Treue überwunden wird; aus der – real oder metaphorisch – schwindenden Sommerzeit gewinnt das Ich die Pointe, dass diese ihm weniger gelte als die Huld der Geliebten. Str. II thematisiert das Verhältnis des Ichs zu den Leuten, deren Haltung gegen sein Leid gespalten, überwiegend missgünstig ist, wenngleich der Leute Freude über sein Leid auch eine Würdigung seiner Kunst (der Minneklage) implizieren möchte – wodurch die Spaltung der Leute in Mitfühlende (?) und Missgünstige instabil würde. Stabilisiert wird die Trennung durch die Unterscheidung von Guten und Bösen; anstatt aber sich auf die Seite der Guten zu schlagen, wendet sich das Ich schließlich insgesamt von den Leuten ab: soll jeder das Seine haben, und wer Erfolg hat, möge sich freuen.
Florian Kragl