Die Einstellungen der Textansicht wurden gespeichert.

Sie bleiben auf diesem Rechner und in diesem Browser als Standardeinstellungen gültig, bis Sie sie mit anderen Einstellungen überschreiben.
Gast, ›Was sol ein keiser ane recht, ein babst ane barmung‹ (C 1 2) DruckerTEI Icon

Kommentar

Überlieferung: Im Korpus des Gast überliefert C ein zwei­stro­phiges Bar. Mit leichter Textvarianz führt den gleichen Sang­spruch z2, wo er jedoch Süßkind zugewiesen wird. Ebenfalls mit wenigen Abweichungen im Textbestand steht die erste Strophe anonym in N. Eine zweite Fassung überliefert k als drei­stro­phiges Bar mit Melodie: Mit abgeändertem Text und variiertem Ton wird hier die in CNz2 überlieferte erste Strophe ergänzt um zwei weitere in k unikal überlieferte Strophen.

Form: Die Töne beider Fassungen können als Variation von Wolframs Goldenem Ton gesehen werden (in k diesem ausdrücklich zugeschrieben). Voneinander unterscheiden sie insbesondere die Aufgesänge. Als gemeinsames Grundschema kann eine Kanzonenstrophe aus Siebenhebern mit einem Fünfheber zu Beginn des Abgesangs angenommen werden. Schlageter, S. 185, vermutet eine Verwandtschaft mit Ton III des Unverzagten.

Fassung CNz2: .7-a .4b .3c / .7-a .4b .3c // .5-d .7-d .7e .7e

C und z2 II sind durch abschließendes Reim­paar erweitert (.7f .7f). Ob die Strophe nachträglich ausgebaut wurde oder ob die Zusatzverse den Liedschluss »im Sinne einer Tornada« (Schiendorfer, S. 186) besonders betonen sollten, muss offen bleiben. Der identische Reim in Cz2 II, V. 2 : 5 könnte Indiz dafür sein, die Stollen als zweiversig zu verstehen (mit Binnenreim nur in Str. I).

Fassung k: .4a .3-b .7c / .4a .3-b .7c // .5-d .7-d .7e .7e

In II,3.6 finden sich Binnenreime, sodass diese Strophe Wolframs Goldenem Ton (Form 1), wie ihn das RSM, Bd. 2, S. 319, verzeichnet, am nähesten kommt. Kein Auftakt in I,2; II,4.8. III,9 ist überfüllt.

Inhalt:

Fassung CNz2: Priamel.

In Form von anaphorischen Fragen der Form was sol ein ... geben die Strophen einen Ständekatalog, beginnend mit Kaiser und Papst. Str. II folgt allerdings nicht der hierarchischen Ordnung der Personengruppen; in Str. I wiederum tritt die Schelte des untreuen Mundes in V. 4–6 aus der Reihe: »Wo er auftaucht, [...] stört er die Ordnung« (Baldzuhn, S. 401). Das zwei­stro­phige Lied mündet in der Pointe, dass ein ungerecht richtender König noch nutzloser ist als alle zuvor genannten Menschen in ihren gesellschaftlichen Rollen. Damit greift der letzte Vers (II,12) auf den ersten (I,1) zurück und hebt die gerechte Rechtsprechung als zentrale Herrscherpflicht hervor. z2 konkretisiert: ain Römscher kûng (II,12). Ob damit ein konkreter Herrscher kritisiert wird und wenn ja, welcher das sein könnte, ist ungeklärt: »Heinrich (VII.), Kaiser Friedrich II., König Rudolf I. von Habsburg, oder allgemein« (Müller, S. 228)? In N fehlt diese Pointe. Hier könnte man mit Baldzuhn, S. 401, den untreuen Mund als »konzeptionelle Mitte und [] Sinnzentrum der Strophe« verstehen.

Fassung k: Klage über den Verfall der Welt und Aufruf, die ›goldene Zeit‹ (eventuell Korrespondenz mit dem Tonnamen: wolframs guldin tone?) wieder herzustellen.

Auch die erste Strophe in k reiht anaphorisch Fragen aneinander, wobei punktuell der Sinn leicht verschoben wird. So lässt der Verweis auf einen rosenfarbenen Mund (ungetru̍wer munt C I,4, ebenso z2; munt gar ungeslacht N), in dem sich eine falsche Zunge verbirgt, an trügerische Minnedamen denken. Zudem ergänzt k im nächsten Vers den Vorwurf falschen Gotteslobes, womit die religiöse Komponente, die in der Fassung CNz2 nur hintergründig präsent ist (als allgemeine Vorstellung einer von Gott eingerichteten Schöpfungsordung), explizit wird. Eine weitere Variation von k I liegt in der Kritik an jenen Rittern, die ihre Tage in Armut verbringen (mit laster CNz2 I,12), womit der Übergang zu den beiden unikal überlieferten Strophen geschaffen wird.

Zunächst scheint es der irdische Reichtum zu sein, nach dem sich der Sprecher sehnt, denn daran ist weltliches Ansehen gebunden. Doch dieses Streben ist trügerisch: Gott verteilt die Güter ungleich; irdischer Reichtum ist vergänglich – eine Aussage, die übergeht in die Klage über den allgemeinen Verfall der Welt: Was Gold war, ist nun bleiern (vgl. die Vorstellung von der Vier-Reiche-Lehre im Zusammenhang mit Dn 2,32). So führt die letzte Strophe didaktisch fort: Um das Bleierne wieder zu Gold zu machen, muss man Gottes Mutter ehren und sich als freigiebig und gastfreundlich erweisen (mit gast III,7 als Anspielung auf den Dichter?). Dann sind einem, in Erweiterung der ›Gott und Welt‹-Formel, Gott, dessen Mutter und die Welt hold.

Sandra Hofert

Kommentar veröffentlicht am 12.06.2024.
 C Gast 1 = SMS 27 1 I; RSM ¹Gast/1aZitieren
Digitalisat
Große Heidelberger Liederhandschrift, Codex Manesse (Heidelberg, UB, cpg 848), fol. 358ra
Bild nach oben scrollen Bild nach unten scrollen Bild schließen
 I
 
 C Gast 2 = SMS 27 1 II; RSM ¹Gast/1aZitieren
Digitalisat
Große Heidelberger Liederhandschrift, Codex Manesse (Heidelberg, UB, cpg 848), fol. 358ra
Bild nach oben scrollen Bild nach unten scrollen Bild schließen
 II
 
 
Vignette