Überlieferung: Die beiden Sangspruchstrophen sind zusammenhängend und in identischer Reihenfolge in den Konrad-Korpora von C und J sowie anonym in N und w2 (hier allerdings unvollständig) erhalten. In N finden sie sich im Kontext einer Sammlung von Sangspruchstrophen überwiegend moraldidaktischen Inhalts, in w2 stehen sie zwischen einem Lehrgedicht über das Jüngste Gericht und einer Sündenklage (vgl. Hoffmann, S. 334f., Miedema, Bd. I, S. 102, 117f.). k überliefert sie, allerdings mit vertauschter Reihenfolge, als zweite und vierte Strophe eines siebenstrophigen Bars (k KonrW/HofT 12–18), in das, an dritter Position, eine weitere altüberlieferte Strophe (J KonrW 9) Eingang gefunden hat.
Form: .7-a .7-a (.)3-a+.4b / .7-c .7-c (.)3-c+.4b // (.)8*7d (.)4d+.3-e / .7-e .7-e (.)3-e+.4b (Konrad von Würzburg, Hofton),
Tonkommentar.
Die handschriftlichen Versumbrüche in w2 resultieren wohl aus dem Versuch, »das ursprüngliche Gemerk des Hoftons zugunsten eines Reimpaarschemas zu verändern« (Miedema, Bd. I, S. 118). Der Schreiber wollte wahrscheinlich dadurch die Strophen an die metrische Form der ihnen vorangestellten Weltgerichtsdarstellung anpassen, zu der sie eine Art Anhang bilden (vgl. Hoffmann, S. 335).
Inhalt: Mahnrede mit ›memento mori‹-Thematik. Str. I schildert in einprägsamen Bildern die Vergänglichkeit des Lebens: Der Schlaf etwa nehme bereits den Tod vorweg, der sich im Laufe des Tages ändernde Schatten verweise auf die Flüchtigkeit alles Menschlichen, die Knochen des Beinhauses deuteten auf den körperlichen Verfall. Mit dem Tod drohe dem Menschen jedoch auch die Bestrafung in der Hölle, weshalb jeder sich vor allen Todsünden bewahren möge. Str. II ergänzt diese allgemeine Vergänglichkeitsklage um eine Warnung davor, die eigene Lebenszeit als unendlich anzusehen. Sie lasse sich, anders als ausgegebenes Geld, nicht wiedergewinnen, weshalb man sie nicht verschwenden dürfe. Auch wenn die Strophen weder formal noch sprachlich verklammert sind, etwa durch Reimresponsionen oder wiederkehrende Leitbegriffe (vgl. dazu Miedema, S. 174–176), so verbinden Inhalt und Überlieferung sie doch zu einem Strophenpaar (so auch RSM, IV, S. 208).
Stephanie Seidl