Überlieferung: C und L überliefern die sieben Strophen parallel.
Form: 4-a 4b / 4-a 4b // 4c 4c 4c
IV,6 fehlt in L. L VI,2 besitzt einen Auftakt.
Inhalt: Das Dialoglied thematisiert die Minne als Lehrgespräch in Frage-Antwort-Struktur. Die Strophen beginnen jeweils mit Anrede. Der herre belehrt, während die vrouwe das Wesen der Minne zu erfragen sucht. Erst in der Schlussstrophe nimmt die Dame als überraschende Pointe die überlegene Position ein (vgl. Eming, S. 199).
Das Lied setzt mit laudativen Anreden an eine Dame ein, worauf die Mannesrolle statt eines Preises oder einer Klage leicht provozierend die Vermutung entwickelt, die Dame sei nur deshalb hohgemuͦt (C I,4), weil sie Liebe noch nicht kenne, denn Liebe werde sie sofort su̍ften lehren (C I,7). Die Frauenstrophe bestätigt diese Vermutung: Die Dame antwortet in Anklang an Walther von der Vogelweide L 69,1 mit der zentralen thematischen Frage des Lieds: Herre, sagt mir, waz ist minne? (C II,1), wobei sie sich ahnungslos gibt und sich naiv erkundigt, ob die Minne Mann oder Frau sei. Diese Personifikation greift die folgende Mannesstrophe auf (III), die die Minne als gewaltige Herrscherin darstellt, die wol unde we tut (C III,6). Die Frauenstrophe IV löst diesen Gegensatz auf: Die Dame thematisiert nicht die große gewalt der Minne (C III,3), sondern ihre selde menicvalt (C IV,7). Auch die Mannesstrophe V preist die Minne nun ausnahmslos für ihren Lohn, was die Dame in VI fragen lässt, wie sie diesen Lohn verdienen könne, wobei sie den Liebesschmerz ablehnt. Die Lösung trägt der Mann der Dame in VII persönlich an, und zwar in Form der gegenseitigen Liebe: wis du min, so bin ich din! (C VII,5). Mit den letzten beiden überraschenden Versen der Strophe lehnt die Dame dies nachdrücklich ab und verdreht rhetorisch geschickt die Formulierung der Liebeseinheit: sit ir u̍wer, ich bin min! (C VII,7).
Simone Leidinger