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Meinloh von Sevelingen, ›Do ich dich loben horte, do het ich dich gerne erkant‹ (C 1–12) Lied vorDruckerTEI Icon

Kommentar

Überlieferung: Elf formal teilweise leicht unterschiedliche Strophen sind sowohl in B als auch in C unter Meinloh überliefert, eine zwölfte tradiert C unikal. Mit gleichfarbigen Initialen markiert C einen Tonzusammenhang und nähert Str. II durch Verringerung des Versbestandes formal an die anderen an.

In Editionen werden Str. II (nach B) auf der einen und Str. V und VIII auf der anderen Seite oft als eigene Ton- oder Lied­ein­heiten von den übrigen Strophen getrennt (z. B. MF/MT, Brunner), Schweikle druckt dagegen Einzel­stro­phen in der Reihenfolge der Handschriften. Die Frage nach Liedzusammenhängen innerhalb der elf bzw. zwölf Strophen ist umstritten (siehe unten zum Inhalt und den Autorkommentar).

Aufgrund der verschiedenen Interpretationsmöglichkeiten sowie der formalen Parallelen aller Strophen wurden in der vorliegenden Edition alle elf bzw. zwölf Strophen zu einem Ton zusammengefasst. Gleichzeitig wurden, um den formalen Abweichungen dennoch gerecht zu werden, dort Strophen durch Trennzeichen voneinander abgesetzt, wo sich von einer Strophe auf die nächste die Strophenform ändert.

Form: Das folgende Schema visualisiert eine Langvers­stro­phenform mit Freiheiten, nur der Steg und der letzte Vers sind in jeder Strophe hinsichtlich von Kadenz und Hebungszahl ohne Variation. Die Auftakte sind im Schema nicht beachtet:

3-*4+4*3a 3-+4*3a 3-*4+3*4b 3-+4*3b 3-*4+4*3c .3-x 3-+4c

Von jenem Schema heben sich als eigene Töne Str. B II auf der einen und Str. V+VIII+C II auf der anderen Seite ab (ähnlich Brunner, S. 200f.): Str. V, VIII und C II haben keinen Steg als Schlussbeschwerung, der letzte Vers hat die Form (.)3(-)+4c.

Str. II hat in B ein zusätzliches Reim­paar, wobei der Steg wieder als Schlussbeschwerung vor den letzten Vers gefügt ist. Zudem sind die Zäsuren in V. 2 und V. 7 durch das gleiche Wort verbunden (vrowen). Solche womöglich zufälligen Reime an der Stelle der Zäsur finden sich auch in anderen Strophen, so in IV,3 : 5 (unrein, nur in B), IV,4 : 6 (grammatischer Reim) und VI,1 : 2 : 5.

Unsicherheit in Bezug auf Deutung und Visualisierung der Langvers­stro­phenform: Die Verse werden aus literarhistorischen Gründen traditionell als zäsurierte Langverse aufgefasst. Brunner zieht den Steg zum letzten Langvers und visualisiert einen Langvers mit zwei Zäsuren (anders z. B. MF/MT sowie Schweikle, S. 379). Aus systematischer Sicht ist es umso einleuchtender, Zäsuren anzunehmen (und nicht von durchlaufenden langen Versen auszugehen), je besser Zäsuren metrisch zu erkennen sind. Unsicherheit generieren bei der formalen Deutung zum einen Freiheiten speziell der Meinloh-Strophen; zum anderen besteht kein Forschungskonsens darüber, mit welchen Freiheiten generell in Bezug auf Langvers­stro­phen zu rechnen ist. Ungeklärt ist vor allem, ob pro Halbvers drei oder vier Hebungen anzusetzen sind und, damit eng zusammenhängend, ob von klingender oder/und weiblicher Kadenz an der Stelle der Zäsur auszugehen ist.

Kadenzen und Hebungszahl der Anverse: Bei den Anversen ist zweisilbig klingende Kadenz vorherrschend (z. B. I,1: horte, VIII,3: leide), daneben begegnen dreisilbig klingende Kadenzen (z. B. I,2: manige, III,4 und VIII,4: tugende) und männlich volle (I,3; II,3; III,1; IV,1; V,5; C I,6). Für die Interpretation der zweisilbigen Kadenzen an der Stelle der Zäsur als klingende, nicht weibliche, spricht, dass mit klingenden Kadenzen alle Anverse auf Hebung enden (im Fall von klingenden Kadenzen auf eine Nebenhebung). Zudem tragen so alle Anverse vier Hebungen. (Die Hebungszahl ist teilweise unsicher, z. B. in II,3.) Freiheiten gibt es auch bei dieser Deutung: Im Anvers der fünften Verse wäre dann öfter zweisilbiger Auftakt anzunehmen (III,5; IV,5; VI,5 und VIII,5); in VI,7 (C: da ist genuͦgen an gelungen) läge bei klingender Kadenz ein Vers mit Krasis und zweisilbigem Auftakt vor (dast genúogen án gelúngèn; bei weiblicher Kadenz entfiele der Auftakt: dást genúogen án gelúngen). 

Kadenzen und Hebungszahl der Abverse: Heusler, § 724, hebt als Besonderheit der Strophenformen Meinlohs im Vergleich mit der ›Nibelungenstrophe‹ hervor, dass bei Meinloh nicht nur der letzte Abvers vier Hebungen trägt, sondern alle Abverse: »Lauter Kürnbergische Schlußzeilen nacheinander!« (ebd.). Heusler sieht jedoch in systematischer und literarhistorischer Hinsicht generell den »Viertakter« als Grundeinheit von Versen und hält zur frühen Lyrik fest: »Kürnberg, Meinloh und Rietenburg, auch die Namenlosen [...] kennen nur den Viertakter« (Heusler, § 724). Vierhebigkeit ist bei Meinloh in den Abversen manchmal eindeutig (vgl. z. B. in I,2.4.5), bei anderen Versen ergibt sie sich mit beschwerter Hebung (z. B. bei I,3; II,6; III,5; III,7; IV,2 etc.), bei wieder anderen sind Hebungszahl und -verteilung ganz unklar (IV,4). Möglicherweise ist mit Heusler von durchgehender Vierhebigkeit auszugehen, möglicherweise wechselt die Hebungszahl insbesondere der Abverse aber auch zwischen drei oder vier (vgl. auch das Schema von Brunner, S. 202).

Überlieferungsvarianz und Form: Die Überlieferungsvarianz liefert in Bezug auf die Metrik wenig Entscheidungshilfe. An wenigen Stellen ist in B die Vierhebigkeit offensichtlich, während der entsprechende Halbvers in C dreihebig gedeutet werden könnte (z. B. An- und Abvers in B I,7: die kunnen, swen su̍ wellen,     an vil guͤtelichen sehen; C I,7: die kunnen, swen si wen,     vil toͮgenliche an sehen; Abvers in B X,1: die habent min u̍bele gedaht, C X,1: die habent min u̍bel gedaht ). Manchmal hat C  alternierende Vierheber, während B mehr Silben aufweist (z. B. II,3, wo zudem der b-Reim in C rein ist, in B nicht; B: das mir got die selde habe gegeben; C: daz ich der selde habe gepflegen), an anderen Stellen ist es eher umgekehrt (B I 4: den du wilt, vrowe, haben liep, C I,4: den du, frowe, wilt haben in pfliht).

In Bezug auf den Reim entsteht ein klareres Bild: Wo B unreine Reime hat, sind sie in C rein (I,3f.; II,3f.; V,5f.; VIII,3f.; Ausnahme ist VI,1f.). Der Reim von Länge auf Kürze bei man : getan (X,5/7 und XI,1f.) ist im Bair. häufig belegt (vgl. 25Mhd. Gramm. § E 27 3). In IX,5/7 vermeidet C einen identischen Reim (B IX,5/7: lip : lip, C IX,5/7: lip : wip). Darauf, dass Reime, nämlich in Form reiner Reime, in C tendenziell nicht nur eine andere Qualität haben als in B, sondern eventuell auch eine andere Bedeutung für die Versstruktur, könnten auch die Reimpunkte hinweisen: Während C ausschließlich Reime auszeichnet (bis auf einen Punctus elevatus in I,1 an der Stelle der Zäsur), markiert der Schreiber der Handschrift B an der Zäsur auch metrische Einschnitte mit Reimpunkten, wenn auch selten und unregelmäßig. Eventuell bereitet die metrische Analyse der Meinloh-Strophen nicht nur heute Probleme, sondern sie war auch schon für den B-Schreiber mit Unsicherheit verbunden. 

Während man in C also sowohl in Bezug auf den Reim von »Modernisierungstendenzen« (vgl. Henkes-Zin, S. 128–130, hier S. 130) sprechen kann als auch in Bezug auf die Anpassung der Verszahl von Str. II, die nur in B deutlich über jene der übrigen Strophen hinaus geht (vgl. ebd., S. 128), erlaubt die Überlieferung diesen Befund in Bezug auf die Metrik nicht; die Abweichungen wirken hier weniger systematisch.

Inhalt: Die Strophen sind mal Ich-, mal Rollenrede und haben einen unterschiedlichen Gestus (klagend, gnomisch, laudativ etc.). Die Augen und der Blick stellen einen wiederkehrenden Bezugspunkt dar.

Str. I entwickelt sich von einer Strophe über das Lob zum ausgeführten Preis, zugleich spannt sie den Bogen von der Fernminne bis zur Begegnung: Das Ich hat zunächst Lob über die Geliebte gehört und konnte anschließend ihre Tugendhaftigkeit mit eigenen Augen sehen. Der Frauenpreis schließt als Preis ihres gütigen Blickes.

Str. II greift das Motiv des Blickes wieder auf: Das Ich weiß um die innere und äußere Schönheit der Geliebten, nicht, weil es mit ihr gesprochen oder bei ihr gelegen hat, sondern weil es sie sehen konnte.

In Str. III wendet sich das Ich wieder, wie in der ersten Strophe, direkt an die Dame und bietet ihr den Minnedienst an. Doch spricht es von sich selbst nicht in der 1. Person Sg., sondern in der 3. Person, wodurch Botenrolle und minnendes Ich überblendet werden (vgl. dazu Huber, S. 147).

Str. IV verkündet gnomisch-allgemein, wie wichtig es ist, im Dienst einer Dame das damit einhergehende Leid heimlich im Herzen zu tragen.

Str. V variiert dieses Thema: Hier werden zunächst drei Tugenden angekündigt, wobei die folgenden Verse betonen, wie wichtig die Verbindung von triuten und swîgen ist. Welches neben der tougen minne die anderen beiden Tugenden sind, bleibt offen, was darauf hinweisen könnte, dass die Strophe aus einem anderen Strophenzusammenhang stammt (vgl. Jungbluth, S. 116f.). Ittenbach, S. 96, hebt dagegen die drei swer/er-der-Konstruktionen hervor (V. 1f., 5f.) und sieht in dieser dreifachen Mahnung zur Verschwiegenheit die Ankündigung des ersten Verses erfüllt.

Auch Str. VI ist von einem gnomischen Sprachgestus geprägt: Schnelles und geheimes Handeln ist nötig in der Minne, um sich vor den Minnefeinden zu schützen.

Str. VII greift erneut das Motiv des Blickes auf: Das Ich hat nie eine edlere Dame gesehen als diejenige, der es nun dient. Durch die Minne ist es hochgemut und zugleich betrübt – ein trûren, das nur seine Dame abwenden kann. Den Tag, an dem es sie sieht (wieder sehen wird? gesehen hat?), will es ehren.

Str. VIII: Frauenstrophe. Die Aussicht auf die Ankunft ihres Geliebten lässt die Sprecherin voller Vorfreude daran denken, dass sie ihn sich nahe legen möchte – ein ›Dienst‹ an den Frauen, den ihr Geliebter besonders gut beherrscht.

Str. IX: Verbindung von Frauenpreis und Bestätigung immerwährenden Dienstes. Das Ich bekundet seine Treue, die sogar über seinen Tod hinaus wirkt.

Str. X und XI: Frauen­stro­phen. Beklagt das Ich in der zehnten Strophen die üble Nachrede der merkere, richtet die Sprecherin sich in der elften Stophe gegen neiderfüllte Konkurrentinnen und beteuert dem, den ihre Augen erwählt haben, ihren Dienst.

Str. XII, die in C unikal überliefert ist, bietet als einzige einen Natureingang: Die Blumen als Boten der Sommers werden parallelisiert mit dem Ich, das sich als Bote des Minnenden inszeniert – ähnlich wie in der dritten Strophe werden so Botenrolle und dienendes Ich miteinander überblendet.

Liedzusammenhang: Die Strophen lassen sich »zu (letztlich wohl variablen) mehr­stro­phigen Kleinzyklen zusammen[]schließen, wie schon bei Kürenberg« (Schweikle, S. 379). In der neueren Forschung werden die Strophen meist in Dreiergruppen als Lieder aufgefasst (BC Meinl 1–3, 4–6, 7–9, C Meinl 10–12 / B Meinl 10–11). Geht man nach der Form in C, umschließen dabei (bis auf die letzte Dreiergruppe) immer zwei Strophen mit Abschlussbeschwerung eine ohne. Vgl. zum Folgenden und zu weiteren Möglichkeiten der Zyklusbildung auch den Autorkommentar.

Inhaltlich können Str. I–III als Werbelied aufgefasst werden, in dem ein argumentativer Bogen gespannt wird von Str. I – das Ich hört, wie die Dame gelobt wird – über das ausführliche Lob in der Preis­strophe II bis zur Treuebekundung und Forderung nach Entgegenkommen in Str. III (vgl. Hübner, S. 59–62).

Str. IV–VI schließen sich als Strophen mit gnomischem Gestus zusammen, die auffordern, die Liebe nach außen zu verheimlichen.

Str. VII–IX, die über die Strophenanapher Ich verbunden sind, können als Wechsel aufgefasst werden, in denen zwei Mannes­stro­phen, in denen das Ich die Geliebte preist und seine Treue beteuert, eine Frauenstrophe umrahmen, in der die Sprecherin den Geliebten für seine Tugenden lobt (vgl. Boll, S. 178f.).

Abschließend können auch Str. X–XII einen Wechsel darstellen: Zwei Frauen­stro­phen, in denen die Sprecherin sich gegen die merkere und den Hass anderer frowen auflehnt, werden abgelöst von einer Mannesstrophe, die mit dem zentralen Motiv des ›Boten‹ in personaler und bildlicher Hinsicht die Hoffnung auf Liebesglück verkörpert (vgl. Boll, S. 179f.).

Sandra Hofert / Simone Leidinger

Kommentar veröffentlicht am 02.10.2021; zuletzt geändert am 30.04.2024.
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