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›Longa spes et dubia‹ (M Namenl/65v 1–11) Lied zurückLied vorDruckerTEI Icon

Überlieferung

M Namenl/65v 1–11

Kommentar

Überlieferung: unikal in M. CB/HS hält die Strophen V, VI sowie VIII–X wegen des Inhalts und der ›schlechten‹ Reime für unecht. Die Argumentation überzeugt nicht, da auch Strophe II nicht »tadellos gebaut« ist und Strophe IV inhaltlich keinen rechten Anschluss fände.

Form (lateinische Strophen): 7' 6 7' 6 7' 6 5 5 ‖ ab ab ab xx

In II,7 fehlt eine Silbe im ersten, in VI,7 eine in beiden Versteilen. Auftakte liegen vor in V,6, VI,1, VI,3 sowie IX,6. Keine Reimbindung in V,1 sowie VI,1, unreiner Reim in VI,3/5 (crucior/sentio), identischer Reim in III,2.6. Strophe II schließt mit dem Reimschema xb statt mit xx. Die Strophen III, IV, V, VI, IX, X und XI weisen im Schlussvers Binnenreim bzw. Verdoppelung auf, sie haben das Schema ab ab ab cc. Strophe VIII (V. 5/7) weicht ebenfalls vom Reimschema ab.

Form (deutsche Strophe): 4a 3-b 4a 3-b 4a 3-b 2-c+2-c

Periodenstrophe oder Stollenstrophe. Die V. 1–6 weisen unreine Reime bzw. Assonanzen auf. Identischer Reim in V. 7, in welchem ein daktylischer Rhythmus vorliegt. Der unreine Reim stat - gras ist vielleicht der Reminiszenz an C Wa 132 et al., V. 6 geschuldet (vgl. Sayce, S. 256).

Die metrische Struktur und die Reimstruktur der lateinischen Strophen und der deutschen sind identisch. Die deutsche Strophe ist vermutlich nach dem Vorbild der lateinischen Strophen hinzugedichtet, wofür die typischen Elemente des mittellateinischen Strophenbaus (Vagantenzeile, Adoneus) sprechen (vgl. CB/V).

Rätselhaft (oder doch nur lässig oder verderbt) ist die Distribution der refrainartigen Wiederholungen im letzten Strophenvers. Verbunden sind dadurch die Strophen I und VII; III, IX und XI (die deutsche Strophe); sowie IV und X. Verbirgt sich dahinter (ursprünglich?) ein leichartiger doppelter Kursus (I, III, IV zu VII, IX und X)?

Inhalt: Das Lied wirkt inhaltlich bunt zusammengewürfelt, eine Art Pasticcio aus verschiedenen Motivbausteinen; unter diesen vor allem Frauen- und Schönheitspreis sowie Liebespein, doch auch Derb-Erotisches und Reflexion der Sangeskunst (vgl. den Versuch einer Grobeinteilung bei CB/V). Die Strophen sind nur lose, gelegentlich durch wiederkehrende Lexeme verbunden, die Strophenreihenfolge wirkt beliebig bzw. ist unsicher. Sind die Strophen erst nachträglich zusammengewachsen, nach und nach entstanden (so CB/V)? Spröde, teils dunkel ist der sprachliche Ausdruck: kompliziert oder komplex?

Die deutsche Strophe ist eine Frauenstrophe, die eine Pastourellen-Situation schildert bzw. voraussetzt. Eine Parodie auf Walthers ›Lindenlied‹ (C Wa 132‒135 et al.) oder aber andere Texte, in denen der Frau eine positive Sicht der Nötigung oder Vergewaltigung in den Mund gelegt wird (vgl. Heinen, S. 64)?

Nicht nur Form und Ausruf, auch die Stimmung bindet die Strophe zurück an die vorausgehenden lateinischen: Während die lateinischen Strophen Klage und Werbung des Mannes thematisieren, berichtet die deutsche vom Erfolg dieser Werbung (vgl. Müller, S. 98). Möglicherweise rekurriert XI,1 auf III,1, die Klage über die Vergewaltigung auf VIII,7 (die brutale Vergewaltigung Philomenas bzw. Philomelas durch Tereus in Ovids ›Metamorphosen‹), worauf auch die Nachtigall-Allusionen in III,7 und XI,7 hindeuten könnten, wenn es denn solche sind (Philomela und ihre Schwester Procne verwandeln sich in Nachtigall und Schwalbe – oder umgekehrt).

Theresa Höf‌le / Florian Kragl

Kommentar veröffentlicht am 22.02.2025.
Gehört zu den Anthologien: Minne- bzw. Werbelied, Wechsel
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