Überlieferung: Die vierte Strophe von M ist in E unter Reinmar in einem labilen Liedverbund überliefert.
Form: Kanzonenstrophe. Die lateinischen Strophen sind wohl nach dem Vorbild der deutschen gedichtet und ahmen deren Kanzonenform nach. Die lateinische Strophenform ist aus nur zwei metrischen Elementen, die deutsche überhaupt aus nur einem einzigen zusammengesetzt.
Str. I–III (Latein): 4 4 7' / 4 4 7' // 7' 4 4 7' ‖ aab aab bccb
Die Zusammenziehung der lateinischen Kurzverse mit Binnenreim begründet sich in der Parallelität von lateinischen Strophen und deutscher Strophe: Sie entsprechen einander exakt, doch fehlen diese Binnenreime im Deutschen.
Str. IV (Deutsch): .4a 4b / .4a .4b // .4c 4c .4c
Inhalt: Preislied des Frühlings (bzw. Sommers) und der Liebe. Die abschließende deutsche Frauenstrophe macht das Lied zum Wechsel (vgl. die Überlieferungssituation in E).
Der Winter wird verabschiedet, der Wechsel der Jahreszeit gefeiert. Deutlich im Fokus des Lieds steht der Aspekt der (Liebes-)Freude – im Kontrast zur hyemis sevicia –, zu der der Sprecher aufruft. Die Naturschilderung wird von Str. I bis III schrittweise reduziert. Konträr dazu werden die emotionalen Auswirkungen der neuen Jahreszeit geschildert: Sind die Reaktionen in Str. I noch Begleiterscheinungen, werden sie nach und nach zum beherrschenden Thema. Str. III entspricht mit ihrem Bezug auf Cupido und Venus der mittellateinischen Liebeslyrik und Liedtradition. Die lateinischen Strophen wirken ausgefeilt, wozu die häufigen Alliterationen, die Repetitionen in II,4.7 und III,1.6 sowie die in der deutschen Strophe fehlenden zusätzlichen Reime beitragen.
Gemeinsam sind den lateinischen Strophen sowie der deutschen Strophe das Motiv der Freude, speziell der Liebesfreude, sowie der sexuellen Erfüllung, doch sind die Akzente verschieden gesetzt: Während das Liebesabenteuer in der lateinischen Lyrik austausch- und wiederholbar ist, spielen in die deutsche Strophe Kategorien des Minnesangs herein (wie Treue und Exklusivität). Der lateinische Part ist aus männlicher Sicht (III,7), der deutsche aus weiblicher Sicht gesprochen. Immer wieder schwört der Sprecher der lateinischen Strophen die Gemeinschaft auf Freude ein (cedant I,5, qui nec vivit II,6, simus III,5). »Das erinnert an den Minnesang mit seiner Verpflichtung zur vröide, speziell an die Thematik der Lieder Reinmars. Doch ist es hier nicht der Hof, dem man die ›Freude‹ schuldet, sondern die Natur, insbesondere die menschliche Natur (Str. 2,5–7)« (CB/V, S. 1137).
CB 143 und 144 sind in Aufbau und Inhalt, bis hin zu Formulierungen (hyemis sevicia – hyemps seva; Iam iam) und Stilmitteln, nahe verwandt.
Theresa Höfle / Florian Kragl
M Namenl/59r 1 = CB 143,1Zitieren | |||
Codex Buranus (München, BSB, Clm 4660), fol. 59r | |||
I | |||
M Namenl/59r 2 = CB 143,2Zitieren | |||
Codex Buranus (München, BSB, Clm 4660), fol. 59r | |||
II | |||
M Namenl/59r 3 = CB 143,3Zitieren | |||
Codex Buranus (München, BSB, Clm 4660), fol. 59r | |||
III | |||
M Namenl/59r 4 = CB 143a; MF 203,10Zitieren | |||
Codex Buranus (München, BSB, Clm 4660), fol. 59r | |||
IV | |||