Überlieferung: in M. Die mittelhochdeutsche Str. V ist in BC unter Reinmar überliefert.
Form (lateinische Strophen): 4 4 5' / 4 4 5' // 7' 4 4 5' ‖ aab ccb deed
Bisweilen unreine Reime (z. B. III,3). Obwohl metrisch eine Rundkanzone, wird die Stollenmelodie im Abgesang nicht wiederholt (vgl. Beatie, S. 300).
Form (deutsche Strophe): 4-a 5b / 4-a 5b // 4c .6c
Kanzonenstrophe. Die lateinischen Strophen und die deutsche Strophe stimmen metrisch nicht überein: Verslänge, -anzahl und Reimschema sind verschieden (vgl. Beatie, S. 418), auch die Neumierungen weichen ab (vgl. Brunner, S. 50*). Der Strophenton findet sich wieder in C Wa 68–72 (vgl. MF/KU, S. 375).
Inhalt: Dunkles Lied über Schattenseiten der Liebe. Ein antithetischer Natureingang kontrastiert den Wehmut und den Schmerz des Ichs mit dem erwachenden Grün; junge Lieder zu singen, vermag er nicht (I). Und doch singt er: von der Venus Unbeständigkeit, deren Jünger er ist und von deren Jüngern, die Frühlingslieder singen, er sich zugleich unterscheidet (II). Anspielungsreich verdichtet bis an die Grenzen des Unverständlichen ist Str. III (vgl. die Notizen im Apparat): vielleicht über die Untreue der Geliebten, vielleicht über die Ignoranz, die sie ihm entgegenbringt, mit düsteren Todesbildern. In Sorge vor der Zukunft leidet der Körper, dräut vielleicht das Alter, das Ich ist nimmer Teil dieser Gesellschaft, seiner Rivalen (IV).
Doch verdeckt eine solche Paraphrase, dass die Gedankensplitter der lateinischen Strophen in so rascher Folge hingeworfen sind, dass sich seine Geschichte vielfach und immer auch anders erzählen ließe. Ausschlaggebend dafür sind verschiedene Techniken poetischer Übercodierung, darunter ein Hang zu poetologischen Begriffen (etwa das ›Buch der Wehmut und des Schmerzes‹), die selbstreferenzielle Thematisierung des Singens oder das Schillern zwischen wörtlicher, metonymischer und metaphorischer Ebene (z. B. der Tod, das Alter, Venus); gegenläufig dazu die Unterbestimmtheit der Liebessituation.
Die deutsche Strophe ist die erste eines Dialogliedes (Minneherrin und Bote). Der inhaltliche Bezug zu den lateinischen Strophen ist prekär. Verbindend ist am ehesten das Element des Gesangs bzw. Rufens: In Reinmars Lied gebietet die Minne(herrin) darüber, ob der Liebende singt oder schweigt. Schärfer ins Auge fällt der Kontrast zwischen der Fröhlichkeit der deutschen Strophe und der Bedrücktheit der lateinischen.
Theresa Höfle / Florian Kragl
M Namenl/60r/2 1 = CB 147,1Zitieren | |||
Codex Buranus (München, BSB, Clm 4660), fol. 60r | |||
I | |||
M Namenl/60r/2 2 = CB 147,2Zitieren | |||
Codex Buranus (München, BSB, Clm 4660), fol. 60r | |||
II | |||
M Namenl/60r/2 3 = CB 147,3Zitieren | |||
Codex Buranus (München, BSB, Clm 4660), fol. 60v | |||
III | |||
M Namenl/60r/2 4 = CB 147,4Zitieren | |||
Codex Buranus (München, BSB, Clm 4660), fol. 60v | |||
IV | |||
M Namenl/60r/2 5 = CB 147a; MF 177,10Zitieren | |||
Codex Buranus (München, BSB, Clm 4660), fol. 60v | |||
V | |||