Überlieferung: Eigentümlicher Überlieferungsverbund aus einem dreistrophigen Lied im Mezze-Korpus von C und einem fünfstrophigen in E, das dort Walther von der Vogelweide zugeschlagen ist. Dass die erste Strophe von CE außerdem noch in S namenlos überliefert wird, zeugt wohl nur von der späten Nutzung der Minnesang-Überlieferung als Steinbruch für Aphoristisches; textkritisch ist S wertlos. Ähnliches gilt für die Verarbeitung von Versatzstücken aus Str. I in den Str. 12, 21 und 22 der ›Minneklage‹ in f (eine Version von ›Des Minners Klage‹; dazu Kornrumpf, S. 187, Anm. 41 und 43). Bemerkenswert aber ist, dass weder C noch E, deren Strophenreihenfolge übereinstimmt, einen kohärenten Text bieten, insofern C die Schlussstrophe (und damit auch die Schlusspointe) zu fehlen scheint, wie sie E IV enthält, umgekehrt aber in E eine weitere, fünfte Strophe folgt, die den Zusammenhalt des Liedes entschieden stört.
Die ersten sechs Verse der dritten Strophe scheinen außerdem in einer ominösen Münchener Hs. erhalten zu sein, die Carl von Kraus noch benutzen konnte, deren Signatur aber bislang nicht ermittelt werden konnte (von Kraus, S. XXXIV).
Form: Formal setzt das Lied eine komplexe Kanzonenstrophe um; nach C:
(.)4a .5-b / .4a 5-b // 4-c (.)4d 4-c .4d .4e .4x .4e
Auffällig ist, dass die ersten vier Zeilen des Abgesangs, der durchgehend aus Vierhebern besteht, das Reimschema des Aufgesangs wiederholen; erst dann folgt die typische Schlusswendung mit der Waisenterzine exe. C und auch E halten das Schema streng durch, lediglich die Auftaktgestaltung variiert zwischen C und E leicht, doch ist diese Varianz auch schon innerhalb von C und E zu beobachten. S ähnelt CE, behandelt die Form des Liedes aber sehr nachlässig und weist eine gewisse Tendenz zu durchgehender Vierhebigkeit auf. Schwierig in der Deutung sind die letzten beiden Strophen aus E, die C fehlen: In der vierten Strophe fehlt im Vergleich zu den übrigen der zehnte Vers, ohne dass dies mit einer inhaltlichen oder syntaktischen Lücke einher ginge. Ob diese Lücke beispielsweise melismatisch zu schließen wäre, ist heute nicht mehr zu entscheiden. In E V entspricht zwar die metrische Füllung der Verse der der übrigen Strophen aus CE (mit geringer Varianz in der Auftaktbehandlung), erstaunlich aber ist, dass das Prinzip der Reimreinheit verlassen wird: guͦt : gruͦz ist bestenfalls Assonanz, zene : manen reimt nicht. Während Fehlverse in der Minnesang-Überlieferung immer wieder vorkommen, sind diese Verstöße gegen die Reimreinheit zumindest in den Autorenkorpora von Walther von Mezze und Walther von der Vogelweide exotisch, sodass man mit einigem Recht überlegen darf, ob diese Strophe den übrigen drei bzw. vier nicht erst sekundär angehängt wurde.
Inhalt: Der formale Befund, dass hinter CE ein vierstrophiges Lied stehen könnte, lässt sich anhand der Argumentationsstruktur des Liedes erhärten. Dass C und E (in den ersten drei Strophen) immer wieder voneinander abweichen, ist dabei wenig relevant: Mit Ausnahme von III,5 ändert diese Varianz am semantischen Gehalt wenig. Sowohl für C als auch für E gilt daher, dass zuerst das Ich sein Herz vorstellt, das ihm großen Schaden oder Nutzen bringen wird: Den Lohn eines Fahrenden (das mag man sich sozialgeschichtlich erklären, die Wortwahl könnte aber auch metaphorisch auf Promiskuität zielen) wüsste das Ich leicht zu erwerben, will ihn aber nicht (I). Implizit bedeutet dies: Das Ich spielt auf Risiko, das darin besteht, dass sie ihm Leid zufügt. Ein Frauenpreis begründet die Faszination des Ichs für síe, wird aber bald abgebrochen aus Angst heraus, das Lob möchte sie einem anderen (dann: glücklichen) Mann liebenswert machen. Dieser Mann wäre das Ich gerne, sie aber will ihn nicht (II). Nun räsonniert das Ich, das Thema etwas abrupt wechselnd, über die Verkommenheit der Welt, in der Lug und Trug regieren; es liebäugelt mit dem Gedanken, die Seiten zu wechseln, also selbst zum Lügner zu werden, zumal dies Erfolg bei den Frauen bzw. Damen verspräche (III). Darauf folgt die Pointe in E IV: Die Anrede lässt darauf schließen, dass nun die Frau spricht, und was sie sagt, kommt dem Ich bestens zupass: Sie schickt (schenkt?) ihm ihre Treue und ihre Beständigkeit als Ratgeber und wischt damit seine Unsicherheit aus III und auch die vermeintliche Zurückweisung aus II vom Tisch, zumal sie ihn schon qua Anrede zu jenem ›glücklichen Mann‹ macht, als der er in II,10f. gerne bei ihr wäre, kulminierend in der heiter-pleonastischen Maxime: bistu guͦt, so tuͦst du wol.
C, der diese Strophe fehlt, fehlt damit auch der Liedschluss, sodass die C-Fassung offen endet. E wiederum stört den Liedzusammenhang mit seiner fünften Strophe, die schon aus formalen Gründen von den ersten vier abgehoben ist. Ihre formalen Unsicherheiten spiegeln sich in inhaltlichen Problemen: Ein (das?) Ich spricht nun über Leute, deren Liebesleben von einem Auf und Ab (?) gekennzeichnet wäre; diese setzten ihm zu, zumal sie, die sich einst von ihm unterhalten ließen, neuerdings abweisend gegen ihn wären. Dann bittet er sie doch um genade. Der inhaltliche Zusammenhang ist schon innerhalb der Strophe prekär, vermutlich soll sie den Topos aufrufen, dass die unbeschwert Liebenden dem Sänger nur dann zuhören, wenn er Fröhliches zu singen weiß. Insofern ist die Strophe konventionell. Zu dem Lied davor passt sie nicht.
Florian Kragl
S Namenl/41rb 1 = KLD 62 VII 1Zitieren | |||
Haager Liederhandschrift (Den Haag / 's-Gravenhage, Koninklijke Bibliotheek, Cod. 128 E 2 ), fol. 41rb | |||