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›varwe, vinster sam der tot‹ (W₁ Namenl 1) Lied vorDruckerTEI Icon

Kommentar

Überlieferung: Drei­stro­phiges Lied, als vorletzter Text der Walther-Sammlung in C überliefert. E überliefert die erste Hälfte der ersten Strophe, W1 einen fragmentarischen Auszug der dritten. In der Forschung meist als Walthers ›Elegie‹ bezeichnet.

Form: Großstrophe mit (binnezäsurierten) Langversen (teilweise mit Mittelzäsur) zu je sechs Hebungen (die Metrik ist nicht ganz regelmäßig, die Zeilen enthalten tlw. Auftakte, die meisten Ausgaben versuchen die Regelmäßigkeit herzustellen) und mit Paarreimen.

 .6a .6a .6b .6b .6c .6c .6d .6d .6e .6e .6f .6f .6g .6g .6h .6h .6i .6i

Die Auftakte können fehlen, in seltenen Fällen liegen zweisilbige Kadenzen vor. Die metrische Form wurde vielfach diskutiert und etwa als Variante epischer Heldenliedverse gedeutet (vgl. Bertau; Kornrumpf). Die Strophen werden durch die refrainartige Verswaise iemer mere oͮwe (bei der letzten Strophe variiert) abgeschlossen, die mit dem Owe-Ruf am Strophenbeginn korrespondiert.

Inhalt: Altersklage.

Klar strukturierte Weltklage, die jede Strophe mit dem Ruf owe einleitet und am Ende mit der Refrainzeile iemer mere oͮwe abschließt. Strophe I beginnt mit einer extrem bildhaft geschilderten Fremdheitserfahrung: Das eigene Leben wird als traumhaft und unwirklich in Frage gestellt (I,2), das Altbekannte mit der Wahrnehmung des Verfalls überlagert: Die Wälder sind abgeholzt, die Jugendfreunde alt geworden (I,9f.). Einstige Freuden sind verloren wie ein Schlag ins Wasser (I,16). In Strophe II wird diese allgemeine Fremdheitserfahrung an den moralischen und politischen Zerfall der Welt gekoppelt, wobei allgemeine Wertekritik (etwa die gestörte Kleiderordnung bei Hofe) mit wohl konkret gedachten Ereignissen (II,9) verbunden werden. Das Vermissen der weltlichen Freuden wird am Ende in der Erkenntnis aufgehoben, dass die diesseitige Freude ohnehin nur zum Verlust der jenseitigen führt. Die dritte Strophe stellt daher die doppelgesichtige Welt der himmlischen Freude gegenüber. Das Lied wird nun unversehens zum Kreuzlied, da die Teilnahme am Kreuzzug zum Gewinn der ewigen crone führe (III,13). Würde dem Sprecher-Ich die Möglichkeit gegeben, an einem Kreuzzug mitzuwirken, würde es (Schlusspointe!) seine oͮ-Rufe unterlassen (niemer mer oͮ; III,17).

Das Lied gehört zu den meistdiskutierten Walther-Liedern.

Björn Reich

Kommentar veröffentlicht am 26.10.2023; zuletzt geändert am 01.11.2023.
Gehört zu den Anthologien:
 W₁ Namenl 1 = L 124,35Zitieren
Digitalisat
Wolfenbüttel, Landeskirchliches Archiv, Depositum Predigerseminar H 1a, fol. 3v
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