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Rubin, ›Der vogel suͤzes schallen‹ (C 47 48 49 50) Lied zurückLied vorDruckerTEI Icon

Kommentar

Überlieferung: Die Minneklage ist dreimal in den Rubin-Korpora der Handschriften A, B und C überliefert. B und C stehen sich dabei im Wortlaut näher. Die Folge der drei ersten Strophen ist über­all dieselbe, aber in C ist das Lied um eine vierte Strophe, deren Zugehörig­keit fraglich ist, erweitert (s. u. zur Lied­ein­heit).

Form: Stollenstrophe mit dem Schema .3-a 3b (.)6c / .3-a 3b (.)6c // 5-d (.)4e (.)6-d 6e

Von Kraus zieht in seiner Edition nach dem Vorgang von Plenio, S. 94, V. 1+2 sowie V. 4+5 zu einem Langvers zusammen. Seine Angabe, nach V. 1 und 4 stünde nirgends Reimpunkt (KLD Bd. I, S. 352), ist aber offensichtlich falsch (vgl. Hs. C).

Abweichungen: A III,3 fehlt eine Hebung; Hebungsprall (oder fehlende Hebung) in C II,5; der vorletzte Vers ist in A II um zwei Hebungen, in B II und C III um eine Hebung zu kurz.

Inhalt: Die Freude des Sängers über den Sommer wäre nur dann voll­kommen, wenn er auch des eine[n] wibes hulde besäße (Str. I). Allerdings hat sie ihm noch nie Freude geschenkt, was ihn nicht hindert, in der Hoffnung (minneklicher wan) auf ein perpetuum mobile der Freude (daz du̍ froͤide nu̍we froͤide bringe) den Dienst fortzusetzen (Str. II). Die weiter bestehende Hoffnung auf Erhörung beruht auf weiter und immer neu (III,6) vorgebrachtem Singen. Die nur in C über­lieferte Str. IV diskutiert den Vorrang von Tugend oder Schönheit im Frauenpreis.

Lied­ein­heit: Die ältere Forschung (Zupitza, von Kraus, Kaiser) hat einhellig die (allein in C überlieferte) vierte Strophe abgetrennt, die keinerlei inhaltliche Anknüpfung an die anderen Strophen zeigt. Es liegt also auch hier das bei Rubin nicht unbekannte Phänomen des gespaltenen Tons vor. Kaiser, S. 32f. demonstriert deutliche Anklänge zwischen der vierten Strophe und Lied A 20–22 = C 61–63, unter anderem die Aufnahme des Reims schoͤne : kroͤne, und deutet die Strophe als eine Rechtferti­gung gegenüber einem (evtl. auch nur fingierten) Einspruch der Dame oder der Gesellschaft gegen jenes Lied. Inhaltlich biete die Strophe also eine Art korrigie­renden Nachtrag zu einem früheren Lied. Diese retractatio erfolge aber nicht in Form eines eigenen Antwortliedes und auch nicht in der Strophenform des stichwortgebenden Liedes, sondern »im Ton des jeweils folgenden Liedes«, sie »figuriert gleichsam als Fußnote innerhalb des geordneten Ganzen« einer Liedreihe, die untereinander fest verkettet sei (Kaiser, S. 35).

Intertextuelle Bezüge: Die erste Strophe zitiert mit dem Sommermotiv und dem seltenen Wort hügende eine Reinmar-Strophe (MF 165,1), vgl. Kaiser, S. 61. Hier findet auch C IV ihren Prätext, da diese Reinmar-Strophe auch die Konkurrenz zwischen Schönheit und Tugend thematisiert und darüberhinaus ebenfalls den Reim schœne : krœne einsetzt. Auf die Frage der Lied­ein­heit wirft das ein zusätzliches Licht.

In II,6 findet sich »geradezu ein wörtliches Zitat aus dem tongleichen« Walther-Lied L 93,19 (Wachinger, S. 487f.); wie diese Form der Inter­textuali­tät zu deuten ist, wäre näher zu unter­suchen. Parodie oder Polemik hält Wachinger für unwahr­schein­lich; er geht eher von »freie[m] Anklingen­lassen der verehrten und verfüg­baren Tradition« aus. Gisela Kornrumpf hat vorgeschlagen, »die Zeilen 3, 3f. [hier III, 4ff.] des Rubin-Liedes (daz si von mînem singen baz bedenke sich, sô daz also niuwez in ir ôren gât) als eine versteckte Pointe [zu] deuten: im Kontext zielen sie zwar primär auf die Erneuerung des eigenen früheren Minnelobs mit dem beginnenden Sommer; doch könnte die Formulie­rung mit einem Hintersinn zugleich auf die Erneuerung des fremden und alten Tons anspielen und eventuelle doene­diep-Vorwürfe ironisch über­spielen.« (Kornrumpf brieflich, zit. nach Wachinger)

Sonja Glauch

Kommentar veröffentlicht am 31.03.2016; zuletzt geändert am 06.05.2024.
Gehört zur Anthologie: Minne- bzw. Werbelied
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