Überlieferung: Die Minneklage ist dreimal in den Rubin-Korpora der Handschriften A, B und C überliefert. B und C stehen sich dabei im Wortlaut näher. Die Folge der drei ersten Strophen ist überall dieselbe, aber in C ist das Lied um eine vierte Strophe, deren Zugehörigkeit fraglich ist, erweitert (s. u. zur Liedeinheit).
Form: Stollenstrophe mit dem Schema .3-a 3b (.)6c / .3-a 3b (.)6c // 5-d (.)4e (.)6-d 6e
Von Kraus zieht in seiner Edition nach dem Vorgang von Plenio, S. 94, V. 1+2 sowie V. 4+5 zu einem Langvers zusammen. Seine Angabe, nach V. 1 und 4 stünde nirgends Reimpunkt (KLD Bd. I, S. 352), ist aber offensichtlich falsch (vgl. Hs. C).
Abweichungen: A III,3 fehlt eine Hebung; Hebungsprall (oder fehlende Hebung) in C II,5; der vorletzte Vers ist in A II um zwei Hebungen, in B II und C III um eine Hebung zu kurz.
Inhalt: Die Freude des Sängers über den Sommer wäre nur dann vollkommen, wenn er auch des eine[n] wibes hulde besäße (Str. I). Allerdings hat sie ihm noch nie Freude geschenkt, was ihn nicht hindert, in der Hoffnung (minneklicher wan) auf ein perpetuum mobile der Freude (daz du̍ froͤide nu̍we froͤide bringe) den Dienst fortzusetzen (Str. II). Die weiter bestehende Hoffnung auf Erhörung beruht auf weiter und immer neu (III,6) vorgebrachtem Singen. Die nur in C überlieferte Str. IV diskutiert den Vorrang von Tugend oder Schönheit im Frauenpreis.
Liedeinheit: Die ältere Forschung (Zupitza, von Kraus, Kaiser) hat einhellig die (allein in C überlieferte) vierte Strophe abgetrennt, die keinerlei inhaltliche Anknüpfung an die anderen Strophen zeigt. Es liegt also auch hier das bei Rubin nicht unbekannte Phänomen des gespaltenen Tons vor. Kaiser, S. 32f. demonstriert deutliche Anklänge zwischen der vierten Strophe und Lied A 20–22 = C 61–63, unter anderem die Aufnahme des Reims schoͤne : kroͤne, und deutet die Strophe als eine Rechtfertigung gegenüber einem (evtl. auch nur fingierten) Einspruch der Dame oder der Gesellschaft gegen jenes Lied. Inhaltlich biete die Strophe also eine Art korrigierenden Nachtrag zu einem früheren Lied. Diese retractatio erfolge aber nicht in Form eines eigenen Antwortliedes und auch nicht in der Strophenform des stichwortgebenden Liedes, sondern »im Ton des jeweils folgenden Liedes«, sie »figuriert gleichsam als Fußnote innerhalb des geordneten Ganzen« einer Liedreihe, die untereinander fest verkettet sei (Kaiser, S. 35).
Intertextuelle Bezüge: Die erste Strophe zitiert mit dem Sommermotiv und dem seltenen Wort hügende eine Reinmar-Strophe (MF 165,1), vgl. Kaiser, S. 61. Hier findet auch C IV ihren Prätext, da diese Reinmar-Strophe auch die Konkurrenz zwischen Schönheit und Tugend thematisiert und darüberhinaus ebenfalls den Reim schœne : krœne einsetzt. Auf die Frage der Liedeinheit wirft das ein zusätzliches Licht.
In II,6 findet sich »geradezu ein wörtliches Zitat aus dem tongleichen« Walther-Lied L 93,19 (Wachinger, S. 487f.); wie diese Form der Intertextualität zu deuten ist, wäre näher zu untersuchen. Parodie oder Polemik hält Wachinger für unwahrscheinlich; er geht eher von »freie[m] Anklingenlassen der verehrten und verfügbaren Tradition« aus. Gisela Kornrumpf hat vorgeschlagen, »die Zeilen 3, 3f. [hier III, 4ff.] des Rubin-Liedes (daz si von mînem singen baz bedenke sich, sô daz also niuwez in ir ôren gât) als eine versteckte Pointe [zu] deuten: im Kontext zielen sie zwar primär auf die Erneuerung des eigenen früheren Minnelobs mit dem beginnenden Sommer; doch könnte die Formulierung mit einem Hintersinn zugleich auf die Erneuerung des fremden und alten Tons anspielen und eventuelle doenediep-Vorwürfe ironisch überspielen.« (Kornrumpf brieflich, zit. nach Wachinger)
Sonja Glauch
C Rubin 47 = KLD 47 XVII A 1Zitieren | |||
Große Heidelberger Liederhandschrift, Codex Manesse (Heidelberg, UB, cpg 848), fol. 173ra | |||
I | |||
C Rubin 48 = KLD 47 XVII A 2Zitieren | |||
Große Heidelberger Liederhandschrift, Codex Manesse (Heidelberg, UB, cpg 848), fol. 174va | |||
II | |||
C Rubin 49 = KLD 47 XVII A 3Zitieren | |||
Große Heidelberger Liederhandschrift, Codex Manesse (Heidelberg, UB, cpg 848), fol. 173rb | |||
III | |||
C Rubin 50 = KLD 47 XVII B 4Zitieren | |||
Große Heidelberger Liederhandschrift, Codex Manesse (Heidelberg, UB, cpg 848), fol. 173va | |||
IV | |||