Überlieferung: Das Minnelied ist mit übereinstimmender Strophenzahl und -folge in den Rubinkorpora von A und C enthalten.
Form: Stollenstrophe 4a 6-b / 4a 6-b // 5-c 5-c .5-d .6-d. Gegenüber dem Bauschema ist der V. II,4 wohl infolge eines Überlieferungsfehlers um eine Hebung verkürzt.
Inhalt: Das Lied reflektiert verschiedene Funktionen des Frauenpreises (lop ist zentrales Motiv aller Strophen). wibe schoͤne sehe[n] unde lobe[n] ir guͤte wird einerseits als Geheimlehre des uneigennützigen Sängers gegen den Kummer und die Freudlosigkeit der ganzen Welt inszeniert (III), und der Preis der Dame wird als Lied des Sängers gerne gehört (und reproduziert? II,5) und beschert dem Wiedersänger sogar Glück bei dessen eigener Werbung (? II,6). Da der Preis der Dame dann in aller Munde ist, fühlt sich der Sänger gegen Leid geradezu immunisiert (II,8). Ganz anders sieht es mit der Wirkung des Gesang auf die Geliebte (und der Wirkung der Erhörung auf den Gesang) aus, die allesamt im Irrealis stehen (I,1–4; III,5). Er muss fürchten, der desinteressierten Geliebten werde das Lob zu viel (I,7), und sein eigenes Glücksrezept könnte er für sich nur dann anwenden, wenn er die Zustimmung der Allgemeinheit dafür hätte (? III,5f.). Als Pointe des Liedes erscheint der zirkuläre Zusammenhang von Liebeserfüllung und nötiger Durchschlagskraft des Gesanges (I,1–4): So singen, daz es dur du̍ oren in daz herze klunge, dass es also eine emotionale Wirkung erzielte, könnte das Ich erst, wenn es von der guͦten vro geworden wäre – was aber nie eintreten wird, wenn es mit dem Gesang nur ihre Ohren erreicht. Die folgerichtige Konsequenz ist es, wenn das Ich sein Singen nur noch von der eigenen Vorliebe getragen sein lässt: doh ist mir lieber, lob ich si, danne ob ich es lieze (I,8).
Vgl. die Strophe C 50, die durch sprachliche Responsionen eng an das Lied gekoppelt ist und es in einem Punkt etwas pedantisch zu korrigieren scheint: dass nämlich die zu preisenden Eigenschaften der Dame nicht gleichrangig seien.
Sonja Glauch