Überlieferung: Das vierstrophige Lied eröffnet in BC das Korpus Heinrichs von Veldeke.
Form: 4-a 4-a 4b / 4-a 4-a 4b // 4b 4-a 4b
Es liegen neunversige, durchgereimte, isometrische Stollenstrophen mit freier Auftaktgestaltung vor. In BC IV sind der a- und b-Reim über den gleichen Reimvokal miteinander verbunden. Auffällig sind die niederdeutschen Formen im a-Reim von BC IV. Das Reimwort in B I,7 reimt, bei oberdeutscher Realisierung der Reimwörter in V. 3, 6 u. 9, unrein, ebenso wie das Reimwort in V. 4 bei oberdeutscher Realisierung der anderen Wörter des a-Reims. In B II reimt der a-Reim des ersten Stollens unrein mit den anderen Reimwörtern. Unterfüllt ist BC III,1. Durch Abweichungen im Wortbestand (vgl. BC I,3; II,7; III,6) zeigt sich die Alternation in B stellenweise regelmäßiger als in C.
Inhalt: Minneklage mit Natureingang. Das Lied kann zusammen mit A Veld/33r 3–7 / BC Veld 5–7 als Lieder-Wechsel verstanden werden (vgl. z. B. Kasten, S. 615), wobei die Mannesstrophen in den Handschriften zuerst stehen.
Die erste Strophe setzt mit einem Natureingang ein, in dem das Minneleid des Sprechers den Frühlingsfreuden entgegensetzt wird.
So beklagt der Sprecher, dass ihm seine Dame wegen seines Fehlverhaltens ihre Huld entzogen hat. Klassische Topoi der Hohen Minne werden aufgerufen wie jener des Minnetoren (vgl. II,5; III,2,7), der Verwundung im Herzen (vgl. III,5f.) oder der unvergleichlichen Einzigartigkeit der Dame (vgl. II,8, wobei B den Blick des Sprechers auf sie betont, in C beruft sich das Ich auf das Urteil aller: niemand könnte je eine Bessere finden).
Was genau das Vergehen des Sprechers war, wird in der dritten und vierten Strophe genauer ausgeführt, wodurch das Lied vom Hohen Sang in ein ovidianisches Register wechselt und Pastourellenmotive anklingen lässt (vgl. dazu auch Bastert, S. 333): Al ze hohe minne (III,1) hatte ihn erfasst; maßlos war sein Verlangen (vgl. IV,4). Er hat den Rahmen des sprachlichen Minnecodes verlassen und u̍bel worte (B IV,1) gesprochen. Diese ›bösen Worte‹ waren die Bitte um körperliche Nähe (vgl. IV,5f.), die er mit Berufung auf die kartaten (B IV,5) geäußert hat. Geistige und körperliche Liebe werden hier spielerisch zusammengebracht (vgl. dazu auch Bastert, S. 334) und so legt insbesondere die letzte Strophe eine ironische Lesart des Liedes und damit eine Relativierung der übertriebenen höfischen Selbstanklage des Ichs nahe (vgl. dazu auch Schweikle, S. 430, sowie MF/MTE, S. 81).
Zum Thema der zu Hohen Minne vgl. auch B Hausen 32–34 / C Hausen 34–36.
Sandra Hofert
C Veld 1 = MF 56,1Zitieren | |||
Große Heidelberger Liederhandschrift, Codex Manesse (Heidelberg, UB, cpg 848), fol. 30va | |||
I | |||
C Veld 2 = MF 56,10Zitieren | |||
Große Heidelberger Liederhandschrift, Codex Manesse (Heidelberg, UB, cpg 848), fol. 30va | |||
II | |||
C Veld 3 = MF 56,19Zitieren | |||
Große Heidelberger Liederhandschrift, Codex Manesse (Heidelberg, UB, cpg 848), fol. 30va | |||
III | |||