Überlieferung: Die sog. ›Philippschelte‹ ist in deutlich differierendem Wortlaut in B und C überliefert. In B folgt die Strophe unmittelbar auf den ›Kronenspruch‹, in C auf die ›Magdeburger Weihnacht‹. In beiden Fällen markiert die Strophe damit einen Umschwung vom Herrscherlob zur -kritik.
Form: .6a .6a .5-b / .6c .6c .5-b // .4d .6d .5-e / .4f .6f .5-e, siehe Tonkommentar.
Inhalt: Nach dem sakralisierten Herrscherlob Philipps in den vorangegangenen Sprüchen des Ersten Philippstons wirkt die Kritik an Philipp nun besonders harsch. Bisweilen wird angenommen, dass die Strophe später entstand und nicht vor Philipp, sondern am Thüringer Hof (mit dem Walther ab 1201 in Kontakt stand) vorgetragen wurde. Dagegen spricht allerdings die Tatsache, dass diese Spruchstrophe in enger Verbindung mit der in B folgenden, tongleichen ›Thüringer Hofschelte‹ steht. Wird hier noch die mangelnde Freigiebigkeit Philipps gerügt, so steht dort die Verschwendungssucht Hermanns von Thüringen im Zentrum. Möglich ist also auch, dass die Kritik an Philipp durch die Folgestrophe etwas abgemildert wurde.
Auffällig sind die drastischen, offensiven Vergleiche, die die Kritik an Philipp über die üblichen Klagen über die fehlende milte eines Herrschers hinausheben. Dass als Vorbild für höfische Freigiebigkeit ausgerechnet der wise Salatin (V. 7) und der von Engellant (V. 10) genannt werden, muss von Philipp als Affront verstanden worden sein. Zwar hatte die Großzügigkeit Saladins zu dieser Zeit bereits sprichwörtlichen Charakter, doch war er als heidnischer Herrscher zumindest eine indirekte Ursache für den Tod von Philipps Vater Friedrich I. Barbarossa im Dritten Kreuzzug. Der von Engellant, worunter wohl Richard Löwenherz, der 1193 von Philipps Bruder Heinrich VI. um ein exorbitantes Lösegeld (vgl. V. 11) erleichtert wurde, zu verstehen ist, setzte sich stark für die Welfenpartei und seinen Neffen, Philipps Kontrahenten Otto IV. ein.
In B wirkt die Kritik durch den abweichenden Wortlaut in V. 3 noch offensiver, wenn Philipp direkt angesprochen und ihm seine Ehre aberkannt wird: dir ist niht kunt umbe ere (B,3). Dabei wird sogar der Gleichreim ere : ere in Kauf genommen. Allerdings wird durch das ebenfalls doppelte dir ist niht kunt (B,3 und 5) – aufgrund der unterschiedlichen syntaktischen Einbindung ist hier nicht unbedingt von einem Schreiberfehler, sondern eventuell von einer bewussten Gestaltung auszugehen – auch die Unwissenheit Philipps deutlicher hervorgehoben, so dass die Strophe hier stärker erzieherisch wirkt.
Björn Reich