Überlieferung: Das Lied ist in sechs Handschriften überliefert. In A eröffnet es das Korpus Walthers von der Vogelweide. In ABCE sind jeweils fünf Strophen erhalten, in f vier (mit größerer Textverderbnis, insbesondere in f III). In N2 findet sich eine vollständige sowie eine fragmentarische Strophe, der Rest ist hier ausradiert und mit einem lateinischen Lied überschrieben. Uneinigkeit besteht in der Forschung darüber, ob die fünf überlieferten Liedstrophen als Einheit aufzufassen sind, oder ob es sich dabei um zwei Lieder handelt, die in CE miteinander vermischt wurden. Bei nahezu einheitlicher Metrik formieren die Strophen CE I, II und V eine Sinneinheit, ebenso wie die Str. III und IV. In AB und f stehen diese beiden Strophen am Ende; da hier jedoch ein Wechsel der Initialenfarbe bei jeder Einzelstrophe vorliegt (bzw. in f keine Farbmarkierung vorhanden ist), lässt sich nicht sagen, ob die Strophen als zusammengehörig aufgefasst wurden oder nicht. Die Forschungsbeiträge – ebenso wie bisherige Editionen – gehen daher bisweilen von einem zusammengehörigen Strophenverbund aus (so etwa Wa/Bei), bisweilen von zwei voneinander getrennten Liedern (etwa Kasten oder Schweikle). Die Strophen CE III und IV formieren dann das Lied ›Aller werdecheit ein füegerinne‹. Insgesamt gehört das Lied bzw. die Lieder zu den am besten bezeugten (und auch am meisten beforschten) Liedern Walthers.
Form: 5-a 5-b .5c / 5-a 5-b .5c // .4-d .5-d .4e .4x .4e
Elfzeilige Stollenstrophen mit Waisenterzine. Teilweise leichte Abweichungen im Auftaktschema (etwa kein Auftakt in I,6), mehrfach dreisilbige Takte (z.B. II,1 oder II,6). C III,8 et al. und evtl. C IV,8 et al. ist um einen Hebung verlängert; das spräche für ursprünglich zwei verschiedene Lieder. In E II ist das metrische Schema korrumpiert, kann aber durch Textumstellung leicht wieder hergestellt werden.
Inhalt: Frauenpreis/Konzeptlied.
Die Strophen C I, II und V formieren einen klaren inhaltlichen Zusammenhang, was für zwei getrennte Lieder spricht: Es handelt sich um einen Frauenpreis, bei dem die Schönheit der Minnedame den Freuden des Monats Mai gegenübergestellt wird. Das Bild wird durch alle drei Strophen hindurch stringent verfolgt: Nach dem in Str. I klassisch der Mai mit seinen Freuden vorgestellt wird, wird in Str. II die Frau mit ihren höfischen Tugenden gepriesen: Schon hier endet die Strophe mit einer Pointe: Wenn die Dame den Raum betritt, hat niemand mehr Augen für die Blumen, alle (das Sänger-Ich schließt in II,10 das Publikum mit dem Pronomen wir mit ein) sehen dann auf die Dame, wobei mit dem Verb kapfen (II,11) ein etwas derberer Ausdruck (›gaffen, glotzen‹) gewählt ist. Str. V fordert nun noch einmal dazu heraus, die Freuden des Mais mit den Freuden, die die Dame verbürgt, zu vergleichen, und endet erneut mit einer (mehrsinnigen) Pointe: Ehe das Ich seine Dame aufgeben würde, würde es den Mai zum März degradieren.
Die beiden Strophen C III und IV (et al.) handeln vom Thema des richtigen, maßvollen Werbens. Dazu wird zunächst die personifizierte Frau Mâze angesprochen und darum gebeten, das Ich im richtigen Werben zu unterweisen: Als solches gilt ein Werben, das weder ze nidere noch ze hôch, sondern ebene ist (III,8). In C IV wird das Konzept weiter erläutert, wobei das Ich zuletzt bekennt, dass es einer Dame verfallen sei, trotz der Tatsache, dass ihm davon schade geschehen könne (IV,11).
Die verschiedenen handschriftlichen Fassungen unterscheiden sich in zahlreichen kleineren Details, so dass sich gerade hinsichtlich der hier vorgestellten Minnekonzeption eine überaus komplexe Überlieferungs- und Forschungslage ergibt.
Björn Reich
C Wa 159 (155 [161]) = L 45,37Zitieren | |||
Große Heidelberger Liederhandschrift, Codex Manesse (Heidelberg, UB, cpg 848), fol. 131vb | |||
I | |||
C Wa 160 (156 [162]) = L 46,10Zitieren | |||
Große Heidelberger Liederhandschrift, Codex Manesse (Heidelberg, UB, cpg 848), fol. 131vb | |||
II | |||
C Wa 161 (157 [163]) = L 46,32Zitieren | |||
Große Heidelberger Liederhandschrift, Codex Manesse (Heidelberg, UB, cpg 848), fol. 131vb | |||
III | |||
C Wa 162 (158 [164]) = L 47,5Zitieren | |||
Große Heidelberger Liederhandschrift, Codex Manesse (Heidelberg, UB, cpg 848), fol. 131vb | |||
IV | |||
C Wa 163 (159 [165]) = L 46,21Zitieren | |||
Große Heidelberger Liederhandschrift, Codex Manesse (Heidelberg, UB, cpg 848), fol. 132ra | |||
V | |||