Überlieferung: Das Lied ist in CEO1U mit unterschiedlichem Strophenbestand überliefert. Die fünfstrophigen Fassungen C und EO1 sind anhand der vertauschten Reihung von zweiter und dritter Strophe und zwei je eigenen Schlussstrophen zu trennen. U steht EO1 näher als C und wird meist Fassung EO1 zugerechnet. O1 (vierstrophig, defekter Anfang) und U (zweistrophig, defekter Schluss) sind fragmentarisch erhalten, wobei zu vermuten steht, dass O1 ursprünglich auch die erste und U weitere Strophen enthielt. Laut Wilmanns gehen CE auf eine gemeinsame Vorlage (S. 31) und U noch unmittelbarer auf dieselbe Quelle zurück (S. 34).
Von Kraus hält die Schlussstrophen von EO1 für unecht. Entgegen der Lachmann-Tradition nach C folgen einige spätere Editionen dennoch der Reihung (doch nicht dem Strophenbestand) von E (u. a. Wilmanns, Maurer).
Form: 5a 5b / 5a 5b // 4c 3-d 3-d 5c
In E begegnen unter- (I,3f.) und überfüllte Verse (IV,8). Entgegen dem Schema auftaktig sind C I,2 (zwei Auftaktsilben), E III,7f. / O1 II,7f. sowie E IV,6. Hebungsprall tritt vermehrt in EO1 auf (E I,1, IV,4, V,3 und O1 I,4, III,4, III,8, IV,2). Strophenanaphern verbinden C I und V (Min[er] frowe[n]) und C II und IV (Ich gesach), was von Kraus, S. 190, zur Annahme einer spiegelbildlichen Anordnung des Lieds um die zentrale dritte Strophe in C anregte. Zudem gibt es in C eine Reihe von Reimresponsionen, die sich in der dritten Strophe häufen: han : zergan (III,2/4) korrespondiert mit ergat : hat (IV,5/8); arebeit : leit (III,5/8) mit leit : werdekeit (V,1/3). V. 6f. der letzten drei Abgesänge sind ebenso durch Reimresponsion verbunden: kleine : alleine in C III, gemeine : aleine in C IV sowie deheine : kleine in C V.
Inhalt: Minneklage/Frauenkritik.
In allen Hss. – außer O1, wo der Anfang fehlt – beginnt das Lied mit einer Anklage der ungenaede[gen] frouwe[n] (C I,1), was als direkte Kritik an der Dame eine für das gesamte Lied charakteristische Überschreitung der traditionellen Minnesang-Konzeption darstellt. In C II beteuert das Ich seinen großen Dienstwillen, der im Bild aktualisiert wird, dass das Ich sogar die Gestirne für die schöne Dame erringen würde, wenn es könnte. Die seit der Jugend für den Dienst aufgebrachte Zeit, die bereits in C I,3 angeführt ist, wird in C III als verschwendete Lebenszeit bedauert. Das Ich kritisiert in C IV das Unvermögen der Dame, Freund und Feind zu unterscheiden, und warnt vor den Folgen. In C V scheint zunächst die Möglichkeit der Dienstaufgabe auf, die in einer abschließenden revocatio jedoch zurückgewiesen wird: seine Dame zu verlassen, würde ihn mehr schmerzen, als es bei jeder anderen ehrenwerten Frau je der Fall wäre.
Die Fassung EO1U erfährt durch den abweichenden Schluss eine Umakzentuierung: In EU folgt auf die Frauenkritik der ersten Strophe die Klage über die mit dem Dienst vergeudete Zeit (EU II / O1 I). Das Ich bekundet seine Dienstbereitschaft (E III / O1 II), stellt aber in E IV / O1 III – deutlicher als in C – seine Dienstaufgabe in Aussicht, wenn die Zuwendung der Dame ausbleibt. In E V / O1 IV beklagt das Ich, dass seine Dame, im Gegensatz zu anderen, alles bejaht. Bein, S. 187, bietet zwei Deutungen dieser Schlussstrophe an: als parodistische Beschwerde über eine zu aufdringliche Dame oder als impliziter Hinweis auf die »Diskrepanz zwischen ›Sagen und Tun‹«.
Das Lied wurde der zweiten Walther-Reinmar-Fehde zugerechnet (vgl. Maurer). Einen direkten Bezug zur Reinmar-Strophe C Reinm 227 bekräftigt darüber hinaus Nolte, S. 166. Bauschke 1999 beschränkt Reinmar-Bezüge des Lieds auf Motivähnlichkeiten (etwa zu C Reinm 227 und C Reinm 181–183, III,5–8 et al.) und stellt die intertextuellen Bezüge der Fassung EO1U zu Heinrichs von Morungen MF 137,17–22 in der Umkehrung der Klage über das verneinende selic wip zum stets bejahenden unselic wip (unselic nur in E!) heraus.
Milena Müller
C Wa 185 (181 [187]) = L 52,23Zitieren | |||
Große Heidelberger Liederhandschrift, Codex Manesse (Heidelberg, UB, cpg 848), fol. 132vb | |||
I | |||
C Wa 186 (182 [188]) = L 52,31Zitieren | |||
Große Heidelberger Liederhandschrift, Codex Manesse (Heidelberg, UB, cpg 848), fol. 132vb | |||
II | |||
C Wa 187 (183 [189]) = L 53,1Zitieren | |||
Große Heidelberger Liederhandschrift, Codex Manesse (Heidelberg, UB, cpg 848), fol. 132vb | |||
III | |||
C Wa 188 (184 [190]) = L 53,9Zitieren | |||
Große Heidelberger Liederhandschrift, Codex Manesse (Heidelberg, UB, cpg 848), fol. 132vb | |||
IV | |||
C Wa 189 (185 [191]) = L 53,17Zitieren | |||
Große Heidelberger Liederhandschrift, Codex Manesse (Heidelberg, UB, cpg 848), fol. 132vb | |||
V | |||