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Walther von der Vogelweide, ›Lat u̍ sagen, wie es umbe ir zoͮber stat‹ (C 408–412) Lied vorDruckerTEI Icon

Kommentar

Überlieferung: Das Lied ist in CE im Korpus Walthers und in O1 namenlos überliefert. CE tradieren eine fünf­stro­phige Fassung, wohingegen O1 durch Auslassung der Verse CE III,2 bis IV,1 ein nur vier­stro­phiges Lied kennt. In CE, die gemeinsam auf eine bereits deutlich gestörte Quelle zurückgehen (Wilmanns, S. 31), ist die Form häufig defekt, weshalb meist nach O1 ediert (Wa/Bei, Wa/Co) oder konjiziert wird (Schweikle), wo die letzte Strophe formal intakt ist. Wohl durch Lochfraß ist geringer Textverlust in O1 entstanden.

Form: 5a 3b / 5a 3b // 3-c 4d 5d 3-c

Stollenstrophe. In CE ist die Form auffällig oft beschädigt: In den unterfüllten Versen CE III,6 und V,6 fehlt das Reimwort; an den überfüllten Vers CE V,8 ist nach dem Reimwort wunne ein überzähliger Satz angehängt. Auch die Wort- und Reimwiederholung gemeine in CE III,6/8 wurde mehrfach als verderbt eingeschätzt (u. a. Wa/Bei, Schweikle). Durch die Auslassung in O1 entstehen zwei Waisen in III,1/3 (man : gezemen). CE II,4 und IV,2 sind entgegen dem Schema auftaktig. CE III,4 ist überfüllt, außer man nimmt zwei Auftaktsilben und Synalöphe (sô ist > sôst) an.

Inhalt: Frauenpreisreflexion.
In einer Verkehrung des klassischen Frauenpreises – Fitschen charakterisiert die ersten Strophen als »›Anti­werbung in eigener Sache‹« (S. 153) – wird in diesem Lied zunächst das Ich umworben (I,1–3), das in übersteigerter Weise negiert, dem Überbietungstopos des/der Schönsten zu entsprechen. Das Ich gibt sich verwundert über die Zuneigung der Dame (Str. I) und vermutet dahinter Lüge, Betrug oder mangelnde Urteilsfähigkeit (Str. II). Str. III etabliert die fuͦge (E III,3) des Ich, die ethische (›Anstand‹) wie ästhetische Konnotationen (›Kunstfertigkeit‹) umfasst, als Gegenpol zur Schönheit. fuͦge als die höhere Tugend zu erkennen, erscheint als ethische Prüfung der Dame (Str. IV). Str. V (bzw. O1 IV) greift das Motiv des zoͮber[s] (C V,1) vorheriger Strophen (I,3 und CE IV,7 bzw. O1 III,7) auf, der in der schoͤne und ere (C V,3) der Dame und ihrer Minne­empfindung (oder -wirkung?) von liep unde leit (C V,4) besteht. CE deuten einen darüber hinausgehenden Zauber an, über den man schweigen solle (das sol man gar verheln, C V,6), während das Ich in O1 dazu aufruft, sich solche Gedanken ganz aus dem Kopf zu schlagen (des sol man sich gar bewegen, O1 IV,6).

Ob die Dame in der dargestellten Güterabwägung die Qualitäten des Sängers erkennt, wurde von der Forschung unterschiedlich beurteilt (vgl. Fitschen, S. 157 vs. Hübner, S. 211).

Milena Müller

Kommentar veröffentlicht am 15.05.2024.
Gehört zur Anthologie: Minne- bzw. Werbelied
 C Wa 412 (408 [425]) = L 116,25Zitieren
Digitalisat
Große Heidelberger Liederhandschrift, Codex Manesse (Heidelberg, UB, cpg 848), fol. 143va
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