Überlieferung: unikal in C.
Form: Vgl. Leichschema. Der Leich hebt sich von den übrigen Dichtungen Ulrichs von Winterstetten durch seinen nachlässigen formalen Bau ab. Ob dies ein Defekt der Überlieferung oder poetisches Kalkül (oder eine Mischung aus beidem) sei, ist auf Basis des Erhaltenen schwer einzuschätzen. Nicht ohne Grund jedenfalls ist der KLD-Text voll von ›freihändigen‹ Konjekturen, die nichts anderes wollen, als den Versikeln einen einigermaßen geregelten Bau abzutrotzen; da unsicher ist, ob sie einen Schaden beheben (oder einen solchen tun), sind sie nicht im Einzelnen im Apparat verzeichnet. Für Nachlässigkeit (der Komposition und/oder der Überlieferung?) spricht, dass die regelmäßige Alternation, wie sie Ulrichs Dichtungen über weite Strecken prägt, sehr häufig aufgegeben ist, auch der unsichere Reime auf kôz/kôs (?) in V. 20 ist auffällig. Für Kalkül könnte sprechen, dass die Irregularitäten in der zweiten Hälfte des Leichs erheblich zunehmen, gerade was die formalen Muster der einzelnen Versikel betrifft.
Für die Annahme von Binnenreimen spricht nicht nur die Dichte der Reime, sondern auch, dass im Versinneren männliche und klingende bzw. weibliche Kadenzen häufig keinen typologischen Unterschied machen. Teils erklärt sich dies durch Elision (die schwachtonige Endsilbe der Binnenkadenz fällt dann einfach weg), teils scheint die schwachtonige Endsilbe metrisch als Auftakt des nächsten Versteils zu deuten zu sein (sodass also .1-+1 austauschbar wird mit .1+.1). Auch in diesen Fragen aber herrscht große Vielfalt, sodass die im Schema angegebenen metrischen Formeln für die einzelnen Versikeltypen sich meistenteils als Näherungslösungen verstehen müssen.
Diese basalen Schwierigkeiten bei der formalen Einschätzung des erhaltenen Wortlauts hemmen weiter ausgreifende Überlegungen zur Tektonik des Leichs. Ins Auge sticht die grobe Zweiteiligkeit, die sich daraus ergibt, dass ab V. 73 kein vorgängiges Versikelmaterial wiederholt wird, das ›neue‹ Material aber in immer neuer Variation begegnet; sie wird in C mit Paragraphenzeichen vor V. 73 abgebildet. Außerdem vertrauen die Versikel ab V. 73 überwiegend auf Langzeilen aus zwei einleitenden kurzen binnengereimten Stücken mit einem dritten, längeren Abvers.
Die erste Hälfte des Leichs wird vom B-Typus geprägt, der mehrfach wiederholt ist; in der zweiten Hälfte dominiert der G-Typus, wenn auch im Einzelnen nicht entschieden werden kann, welche Versikel noch Variationen eines Typus sind, welche aber als eigenständige Typen zu klassifizieren wären (z. B. K). Auch inwieweit die G-Variationen mit Absicht installiert sind und bis zu welchem Grad sie auf Freiheiten (Fehlern?) der Überlieferung beruhen, ist zweifelsfrei nicht zu entscheiden.
Die Strukturüberlegungen bei von Kraus, S. 562–564 perpetuieren zu einem erheblichen Teil seine editorischen Entscheidungen und vice versa, sie sind daher nur unter Vorbehalt zu gebrauchen. Evident ist lediglich die Zäsurfunktion der beiden H-Gruppen; ob der Schluss ein gleichsam formal pointierter ist, der die leichtypische Wiederholungsstruktur bewusst verlässt, oder, wie der KLD-Text insinuiert, lediglich durch Wort- und Versausfall defekt ist, muss ebenfalls offen bleiben.
Kuhn, S. 104f. verbucht den Leich, ähnlich wie Ulrichs Leich III, als Emanation des von vielen tektonischen Freiheiten geprägten französischen Lai-Typus.
Inhalt: Minneleich mit angedeutetem Tanzschluss. Teil I: Ein ausführlicher Natureingang läuft auf den Kontrast zwischen dem fröhlichen Vogelgesang und der Situation des Ichs zu, die diesem nur gliche, wenn die Geliebte sich ihm geneigt zeigte. So aber, ohne lôn, ist die schöne Maiennatur dem Ich nutzlos. Überwiegend im Wenn-dann-Modus entwirft das Ich seine Hoffnung, der Teil schließt optimistisch mit dem Ausruf, den das Ich täte, wäre es mit der Geliebten vereint.
Teil II (ab V. 73): In reihender Folge werden verschiedene Aspekte der Liebe des Ichs zu seiner Geliebten beleuchtet, darunter Minneklage, Hoffnung, nicht selten stehen auch direkte Adressen an die Geliebte. Argumentative Stringenz scheint nicht gegeben; eher hat es den Anschein, als würden in den Versikelgruppen blockhaft einzelne Argumente oder Beobachtungen vorgebracht.
Das Finale (ab V. 105) beginnt wie ein Tanzschluss, enttäuscht diese Erwartung aber nach wenigen Versen und kehrt zur Minnethematik zurück: Der Ton ist zunächst wiederum hoffnungsvoll – das Ich denkt sich in ihren Armen liegend: dann wäre sein Leid dahin –, doch wird diese Hoffnung von der schon aus formalen Gründen (keine Wiederholung) abrupt wirkenden letzten Gruppe (ab V. 128) gestört, die das Risiko des brechenden Herzens nach dem einlullenden Trott immer ähnlich gebauter Versikelgruppen gleichsam und eigentlich zu Gehör bringt.
Florian Kragl
C Wint 2 = KLD 59 Leich IIZitieren | |||
Große Heidelberger Liederhandschrift, Codex Manesse (Heidelberg, UB, cpg 848), fol. 85rb | |||
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