Überlieferung: Das zweistrophige Lied ist in B und C in nahezu identischer Gestalt überliefert. Im Nachtragskorpus von B fehlt die explizite Autorzuschreibung; die am oberen Blattrand nur mehr rudimentär erhaltene Namensangabe von Eschilbach(?) stammt wahrscheinlich von späterer Hand.
Form: .3*4a .3*4a / .3-b -3b 2c / .3-d .3-d 2c / .4x .3c
Die Deutung des Strophenbaus ist schwierig, und sie wird durch die unterschiedliche Länge der ersten beiden Verse in Str. I und II sowie durch die Unsicherheiten der Überlieferung weiter erschwert. Immerhin zeichnet sich ab, dass das Innere der Strophe aus zwei gleich gebauten, jeweils drei Verse umfassenden Teilen besteht (zumindest dann, wenn man die zwei Reimpaare des Strophenanfangs nicht zusammensieht). Ob die zwei Verse am Anfang und am Ende der Strophe einstmals auch gleich gebaut waren und damit entweder als ›Gespaltene Weise‹ (wenn man von einem versikelhaften Bau ausgeht) oder als geteilter Abgesang (wenn man die Strophe als stollig gebaut versteht) aufzufassen sind, lässt sich nicht sagen. Ansprechend erscheint allerdings die Überlegung, dass die besondere Form auch auf den besonderen Inhalt des Liedes verweist.
Inhalt: Tagelied respektive sangspruchhafte Reflexion auf das Genre ›Tagelied‹. Str. I entwirft in einer Rede an den Wächter die Tageliedsituation, deren Kern die leidvolle Trennung der Liebenden nach der gemeinsam verbrachten Nacht ausmacht. Str. II setzt ihr »das Glück ehelich ausschlafender Liebe« (Wapnewski, S. 162) entgegen, denn die Eheliebe erzwingt, weil sie legitim ist, eben keinen Abschied am Morgen. Das Verhältnis der zweiten zur ersten Strophe (und damit zum Tagelied) entscheidet zusammen mit der Frage, wer spricht – der Sänger oder eine Figur – über die Auffassung des Liedes (etwa als Variante, Kritik oder Parodie des Tagelieds).
Intertext: Das Lied teilt Formulierungen mit Wolframs Tagelied G *Wolfr 4–8 (Wapnewski, S. 165f.).
Manuel Braun