Autor
her Alram vō Greſten (C, fol. 311r, Bildtitel) bzw. Waltram vō greſtē (C, fol. 311v, Textvorschrift) ist außerhalb von C unbekannt. Die C-Miniatur zeigt eine Gesprächssituation: Frau (mit Gebende) und Mann (bekränzt; der Sänger?) scheinen sich über ein Buch zu unterhalten, das die Frau mit der linken Hand auf ihrem Knie hält und auf das sie mit dem rechten Zeigefinger hinweist. Zwischen den beiden Figuren wächst ein Rosenstock (?) empor, in dessen Mitte ein Wappen prangt: Auf goldenem Grund verläuft ein breites blaues Querband, darin mit silberner Schrift: AMOR. Intertextuell spektakulär ist, was im aufgeschlagenen Buch in kleiner Schrift (nachträglich?) geschrieben steht: Sw ͛ / recht / wort / merch//en kā / d ͛ ged/enche / wie. Es sind die ersten anderthalb Verse des ›Lanzelet‹ Ulrichs von Zatzikhoven.
Die historische Identität Alrams/Waltrams liegt im Dunkeln; auch die C-Werkstatt scheint angesichts des unspezifischen Wappens nichts über ihn gewusst zu haben. Urkundliche Zeugnisse fehlen, Gresten verweist evtl. auf Gresten an der Erlauf, einen Ort in Niederösterreich. Die Nennung eines Alram bei Geltar (C Gelt 1) könnte eine Anspielung auf Alram/Waltram sein.
Ob Alram/Waltram ein Dichter war, oder ob in C unter seinem Namen lediglich verschiedene Lieder anderer Dichter versammelt sind, ist nicht zu entscheiden.
Überlieferung
Das Korpus umfasst nur 14 Strophen, die sich zu fünf Liedern gruppieren. Es nimmt nicht mehr als anderthalb Spalten in C ein (fol. 311v). Zwei Lieder, nämlich das erste (C 1–4) und das dritte (C 10f.), sind in A unter dem Markgrafen von Hohenburg erhalten, wo sie in unmittelbarer Folge stehen (A Hoh/32v 6–9 und 10f.). Das zweite Lied (C 5–9) ist Teil eines komplexen Überlieferungsverbunds, dessen fünf Textzeugen vier verschiedene Autornamen bieten (neben Alram/Waltram noch A JSperv 8–12, C Scharfenb 8–12, R Neidh 355–361 und c *Neidh 472–479); die Forschung schreibt es traditionell Neidhart zu. Das vierte und fünfte Lied (C 12f. und 14) sind in fast unmittelbarer Folge in A unter Niune überliefert (A Niune 36f. und 39). Parallelüberlieferung in B gibt es nicht.
Kein einziger Text Alrams/Waltrams ist also ausschließlich unter seinem Namen erhalten. Die Parallelüberlieferung ist freilich, wenn man von dem Neidhart-Fall absieht, kaum stabiler, was die Autorzuschreibung betrifft, zumal die A-Korpora zum Markgrafen von Hohenburg und zu Niune auf ähnliche Weise wie C Alram heterogenes Material versammeln, das vielfach andernorts unter anderem Dichternamen firmiert. Echtheitsdebatten werden von dieser Sachlage ad absurdum geführt. Umso präziser können wir C Alram einem Korpustyp zuschlagen (man vermutete auch: ›Nachsänger‹, ›Fahrende‹, ›Repertoireheft‹), der sich gegenüber größeren und großen Autorenkorpora in ABC auszeichnet durch ein hohes Maß an Zuschreibungsvarianz und poetischer Vielfalt.
Werk
Die fünf Lieder wirken bunt zusammengewürfelt: Minneklage mit Natureingang (C 1–4), neidhartisches Gesprächslied (C 5–9), pointierte Minneklage als Reimspiel (C 10f.), Klagerede an die Minne (C. 12f.), ›donauländische‹ Frauenstrophe zum Konnex Natur/Minne (C 14). Auch die formale Kompositionskunst ist stark variant: C 1–4 ist metrisch lose geformt, formale Irritationen sind schon für den Archetyp anzusetzen; dagegen sind C 5–9, (vor allem) C 10f. und C 12f. von hoher formaler Präzision, die auch in der Überlieferung meistenteils bewahrt ist. Die erhebliche formale Überlieferungsvarianz und die Lockerheit des Versbaus bei C 14 korrelieren mit dem ›donauländischen‹ Habitus. Die ersten vier Lieder bedienen sich der Kanzonenform, das letzte rückt formal ganz nahe an den ersten Ton des Kürenbergers heran (den man freilich auch als Kanzone deuten kann). Passim (auch im neidhartischen Lied) konventionell sind Wortschatz und weitestgehend auch die Motivik, was weniger am Stil des Dichters (wenn er denn einer war) als an den Gesetzen der Gattung liegen wird.
Florian Kragl