Autor
Der von Gliers, dessen Taufnamen die Überlieferung nicht verrät, ist möglicherweise identisch mit Wilhelm von Gliers, urkundlich bezeugt ab 1267 und bis in das zweite Jahrzehnt des 14. Jahrhunderts, dem Schwiegersohn Walthers von Klingen. Die Stammburg des Adelsgeschlechts ist Montjoie bzw. Froberg am Doubs, vgl. den heutigen Ort Montjoie-le-Château im Département Doubs. Die Familie hatte auch Besitzungen im Oberelsass (heute Département Haut-Rhin).
Überlieferung
Die Texte des von Gliers sind unikal in C erhalten, das Korpus (die Miniatur fol. 66v, die Texte fol. 67r–68v) ist Teil des Grundstock-Segments B (Henkes-Zin, S. 41–43). Die Miniatur ist überschrieben mit Der von Gliers in roter Tinte (vgl. die Marginalie bei Textbeginn, fol. 67r: vō Gliers). Sie zeigt den Dichter, prächtig gekleidet, auf einer nicht minder preziösen Bank sitzend, in Händen hält er Wachstäfelchen – was möglicherweise auf seine Gelehrsamkeit hindeuten soll –, rechts hängt ein Schwert in schwarzer Scheide an der Wand, die zugleich Bildrand ist. Das Wappen links oben, direkt oberhalb des Kopfs der Figur, zeigt einen goldenen Schlüssel auf rotem Grund; rechts daneben firmiert ein Helm mit roter Decke, auf diesem und als Helmzier wieder der goldene Schlüssel. Das Wappen passt zu den Siegeln des Adelsgeschlechts.
Werk
Das schmale Œuvre besteht aus nicht mehr als drei Leichen. Sie fallen, betrachtet vor dem Hintergrund der Leichdichtung des 13. Jahrhunderts (wie etwa jener Ulrichs von Winterstetten oder Rudolfs von Rotenburg), auf durch ihre metrisch-formale Schlichtheit, alle drei sind »von einer formal kaum zu unterbietenden Schmucklosigkeit« (Glier, S. 166): Vierheber regieren die Texte und rücken diese formalästhetisch in die Nähe von (Minne‑)Reden oder aber auch der ›Büchlein‹ Ulrichs von Liechtenstein, mit denen die drei Leiche sich auch den abstrakt-argumentativen Habitus sowie den »Hang zum Sententiösen« (Glier, S. 168) teilen. Thematisch dominiert das Konzept der Hohen Minne, das in den drei Leichen des von Gliers mit weitaus größerer, fast schulmäßiger Konsequenz durchdekliniert wird als im mittelhochdeutschen Minnesang. Leich I ist im Kern eine Minneklage. Leich II und III, die identisch gebaut sind, bilden einen kontrastiven Doppelleich, worauf der Textschluss von Leich II auch expressis verbis hinweist: Während Leich II Frau Minne gilt, gilt Leich III der Dame des Sängers. Nach Maßgabe des Erhaltenen ist dieser Doppelleich ein literarhistorisches Unikum. Wichtig für das literarhistorische Selbstverständnis des Dichters ist der Katalog von Leichdichtern in Leich III, der auch von einem frühen Bewusstsein für den Sonderstatus dieses Genres auf dem Feld der mittelalterlichen Lyrik zeugen mag.
Florian Kragl