Autor
Eine genaue Identifizierung des Dichters, dessen Vorname nicht überliefert ist, gilt als unmöglich. Sein Name bezieht sich höchstwahrscheinlich auf die thurgauische Ortschaft Wängi bei Frauenfeld (vgl. Schiendorfer, S. 79); aufgrund einer Äußerung in einer seiner Strophen (C Weng 6) wird er dem Umkreis des thurgauer Grafen von Kyburg zugeordnet: »Im Streit zwischen Kirche und Reich in der Mitte des 13. Jh. scheint er den Auftrag gehabt zu haben, die antistaufische päpstliche Partei unter Hartmann IV. von Kyburg zu propagieren« (Zapf, Sp. 292). Bezieht man C Weng 2 zudem auf den Konflikt zwischen Friedrich II. und Papst Innozenz IV., läge eine Datierung auf die späteren Jahre der 1240er nahe (so etwa Schiendorfer, Sp. 850).
Überlieferung und Werk
Unter Von Wengen (rubrizierte Bildüberschrift auf fol. 300r) überliefert der Codex Manesse in der XXVIII. Lage als Teil des Grundstock-Segments C (vgl. Henkes-Zin, S. 35) sieben Spruchstrophen: Der erste, vierstrophige Bar ist in Stolles Alment verfasst, der zweite, zweistrophige in Reinmars von Brennenberg Hofton, und die das Korpus abschließende fragmentarische Einzelstrophe könnte in Hardeggers Ton III stehen. Die dritte Strophe des ersten Bars findet sich erneut in C im Hardegger-Korpus (C Hard 2) sowie in der Kolmarer Liederhandschrift, wo sie die Schnittstelle zur Stolle-Überlieferung bildet: Als dritte Strophe eines dreistrophigen Bars ist sie hier Jn der alment des altē ſtollē (k Stolle/Alment 1 2 3) überliefert. Ferner findet sich eine Parallelüberlieferung der Strophe im Korpus des Stolle in J (J Stolle 15). Den Abgesang jener vierfach überlieferten Strophe greift noch eine weitere Strophe im Stolle-Korpus in J auf (J Stolle 1), eine Einzelstrophe, deren Aufgesang wiederum Parallelen zur zweiten in k überlieferten Strophe k Stolle/Alment 2 hat.
Die Miniatur zeigt in der Mitte ein sich umarmendes Paar, Wange an Wange (was Wallner, S. 508, wortspielerisch auf den Namen des Dichters bezieht). Links von ihnen steht ein Mann, rechts eine Frau; beide zeigen durch ihre Handgesten, dass sie mehr als Randfiguren zu sein scheinen, wobei ihr Status unklar ist: Die identische Kleidung, ein dünnes, gelbes Hemd, und die gleichen Frisuren der beiden männlichen Figuren ließen es zu, beide als Darstellung des Dichters zu interpretieren; auch die Frauenfiguren zeigen Ähnlichkeiten, unterscheiden sich aber in der Farbgebung ihrer Kleider und in den ihnen zugeordneten Attributen: Wo die umarmende Frau ihren Geliebten mit einem roten Mantel umschließt, steht die rechte Dame unter dem goldenen Giebel. So ist es unwahrscheinlich, dass zwei unterschiedliche Situationen desselben Paars in einer Darstellung zusammengeführt werden. Ist das Paar in der Mitte, auf das die beiden Randfiguren ihre Blicke richten, vielleicht Gegenstand ihrer Rede? Sprechen sie über eine (andere) Geliebte des Sängers?
In der über der Frau rechts dargestellten Giebel- und Burgarchitektur sieht Walther, S. 200, einen Verweis auf das Bildschema der Begegnung von Joachim und Anna an der Goldenen Pforte. Ferner vermutet er eine Abhängigkeit der Miniatur von der Münchener Handschrift des ›Wilhelm von Orlens‹ des Rudolf von Ems (vgl. die obere Miniatur auf fol. 108r, München, BSB, Gdm 63). Dort illustriert die Szene den nebenstehenden Text und das mittige Paar sowie die Assistenzfiguren bilden vier unterschiedliche Figuren ab, nämlich Willehalm und Amelie vor dem König von England und seiner Frau. »[B]eim Bild des von Wengen jedoch [gibt es] keinen Grund für die Anwesenheit der Assistenzfiguren« (ebd.).
Ob das Wappen, ein von Gold und Rot viergeteilter Schild, historisch belegt ist, ist unsicher (Bartsch, SM, S. LXI, identifiziert es mit dem Wappen des Geschlechtes der ursprünglichen Freien von Wengen; vorsichtiger äußert sich Schiendorfer, Sp. 849).
Die sechs Strophen sowie die fragmentarische siebente Strophe, die unter dem von Wengen überliefert sind, sind religiöse und politische Sangspruchstrophen, in denen immer wieder ein Ideal beschworen, dessen Verfall beklagt und zum Handeln aufgerufen wird: Der erste Bar (C Weng 1–4 et al.) verbindet Papstlob, Kaiserschelte, Marienlob und Zeitklage. Der zweite (C Weng 5 6) lobt mit einem Klinger vielleicht Walther von Klingen sowie die Herren zu Kiburg, die der Dichter als ›seine Herren‹ bezeichnet (vgl. C Weng 6, V. 10). Die letzte Strophe (C Weng 7) deutet das Lob eines neuen Herrschers an, der als ›neuer Mond‹ dem Land Ehre bringen wird.
Sandra Hofert